Wirtschaftswachstum

Unser Geld- und Wirtschaftssystem hat einen Konstruktionsfehler – Teil 10

Die Tage unseres Geldsystems sind gezähltDies ist nun die letzte Folge in meiner Beitragsreihe zur Analyse unseres kranken Finanz- und Wirtschaftssystems und seinen grundlegenden Konstruktionsfehlern. Es ist nicht bloss ein einziger Fehler, sondern gerade der Cocktail von ein paar Designfehlern macht die Toxizität aus. Einzelne Details wurden auch mir erst beim Schreiben der Beiträge richtig bewusst. Unter anderem ist es diesen im Laufe der Zeit gewonnen Zusatzerkenntnissen zu verdanken, dass die Beitragsreihe viel länger ausgefallen ist, als ich anfangs geplant hatte. Ich hoffe, das hat trotzdem nicht zu viele von der Lektüre abgeschreckt. Schliesslich gab es zwischendurch ja auch einige illustrative Videos zur Auflockerung.

Für alle, die das Wesentliche nochmals in etwas kompakterer Form nachlesen möchten, habe ich in diesem letzten Beitrag eine Zusammenfassung mit Ergänzungen erstellt. Am Schluss dieses Beitrags findet sich dann noch ein Anforderungskatalog zu einem funktionsfähigen und gerechten Finanz- und Wirtschaftssystem.

Die Fehler im Grunddesign

Unser Geldsystem ist per Design ein exponentiell wachsendes Schneeballsystem, das keinen Gleichgewichtszustand kennt und daher auch nicht beliebig steuer- und beherrschbar ist. Geld entsteht über Kreditvergabe (d.h. Verschuldung), wobei die Zinsen für diesen Kredit aus der geschöpften Geldmenge (d.h. mit den Krediten) selber zu bezahlen sind. Wenn sich das Geld auf unserem Konto durch den Zinseszins ohne unser Zutun vermehrt, freuen wir uns darüber wie kleine Kinder. Wir blenden aber aus, dass gleichzeitig mit der Haben-Seite (Vermögen) in der Gesamtbilanz auch die Soll-Seite (Schulden) im gleichen Umfang wächst, damit die Bilanz aufgeht. Irgendjemand muss für das Vermögenswachstum arbeiten und irgendjemand muss sich für die Geldschöpfung verschulden (und Schuldzinsen bezahlen). Geld aber kann weder arbeiten, noch sich aus eigener Kraft vermehren. Geld soll in der arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung dem Austausch von Leistungen dienen, kann aber nicht durch Leistung sondern nur über Verschuldung generiert werden.

Zusammenhang zwischen Geldmenge und Gesamtverschuldung
Zusammenhang zwischen Geldvermögen und Geldschulden

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Staatsverschuldung wegen Nachfragelücke

Schuldenuhr USA
Schuldenuhr der USA

Fast die ganze Welt jammert über die steigenden Staatsschulden. Es gibt kein Land, das nicht davon betroffen wäre – die einen mehr, die anderen (noch) etwas weniger. Als Möglichkeiten zur Bekämpfung der Schulden stehen Steuererhöhungen auf der Einnahmeseite und Einsparungen auf der Ausgabenseite beziehungsweise eine Kombination von beidem zur Auswahl. Und weil das auf den ersten Blick auch ganz einfach und einleuchtend klingt, wird auch nichts hinterfragt und nicht nach Alternativen gesucht. Alles dreht sich nur noch um den richtigen Mix von Steuererhöhung und Ausgabenkürzung.

Unter Ökonomen weitgehend unumstritten ist die Aussage: „Der Staat muss die Nachfragelücke füllen, die entsteht, wenn private Haushalte nicht mehr konsumieren und Unternehmen nicht mehr investieren.“, ohne sich des Zündstoffes bewusst zu sein, den sie in sich birgt. So richtig dieser Satz auch ist, so sehr verschleiert er zugleich die eigentlichen Ursachen des Problems. Wenn der Staat die Nachfragelücke nicht mehr zu füllen vermag, kommt es unweigerlich zu einer Rezession und irgendwann zum Kollaps der gesamten Wirtschaft. Darauf beruht denn auch die Wirtschaftsideologie der Keynesianer. Doch eine Wirtschaftspolitik, die auf einer künstlich, auf Staatskredit stimulierten Wirtschaft basiert, mündet unweigerlich im Staatsbankrott. Die Heraufsetzung der Schuldenobergrenze wie aktuell in den USA, vermag das Problem nur etwas hinauszuzögern. Warum das so ist, soll dieser Beitrag beleuchten. Dazu wollen wir folgende, dreiteilige Frage beantworten: Was ist eine „Nachfragelücke“, wie entsteht sie und welche Konsequenzen hat sie? Die Beantwortung beginne ich mit der letzten Frage, weil diese am einfachsten zu beantworten ist.

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Alternative zu Kapitalismus und Kommunismus

Nachdem der Kommunismus/Sozialismus seine Untauglichkeit bewiesen hat, hat sich auch der Kapitalismus als fataler Irrtum herausgestellt. Das Scheitern der beiden grossen Ideologien hat die Welt in eine ökonomische Identitätskrise gestürzt. In unserer Paradigma-Parlalyse sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Nur eine sachliche Auseinandersetzung auf der Suche nach einer neuen Lösung und der Wille zum (Werte-) Wandel können uns helfen, die Krise nachhaltig zu überwinden.

Ideologische Systeme haben versagt

Sowohl der Kommunismus als auch der Faschismus stellen totalitäre Systeme dar, die einer Plan- und Befehlswirtschaft gehorchen und somit keine brauchbaren Regelkreise kennen. Ihr Scheitern war dadurch schon vorprogrammiert. Der Marxismus spielte Kapital und Arbeit gegeneinander aus und verkannte dabei, dass es für eine gesunde Wirtschaft beides braucht. Im Kommunismus wird Kapital höchstens als notwendiges Übel und auch dann nur im Gemeinbesitz geduldet. Sollten aber Kapital und Arbeit nicht besser gleichberechtigte Partner sein?

Im deregulierten, neoliberalen Kapitalismus hingegen erfolgt eine Übergewichtung des Kapitals, das sowohl Zweck als zugleich auch Mittel ist. Das Kapital dient als Basis für die Arbeit, welche lediglich dazu dient, noch mehr Kapital und dadurch (vermeintlichen) Wohlstand zu schaffen. In dieser Hinsicht muss man die Kritik von Marx gelten lassen. Jedes Kapital muss Profit generieren. So kann es durch Thesaurierung der Gewinne ins Unendliche wachsen und übt über den Zinseszins Druck auf die Arbeit aus, noch mehr Kapital zu schaffen. Darauf gründet die Forderung des Kapitalismus nach ständigem Wirtschaftswachstum, wobei Kollateralschäden in der Gesellschaft und an der Umwelt in Kauf genommen werden. Durch die Professionalisierung von vormals unentgeltlich geleisteter, zum Besipiel sozialer Arbeit wird jede Tätigkeit monetarisiert. Das beste Beispiel dafür ist die Kranken- und Altenpflege. Diese neu monetarisierte Arbeit wird als Wirtschaftswachstum ausgewiesen. Aber auch eine Zunahme der Umverteilung von Kapital beziehungsweise Geld betrachten wir als Wirtschaftswachstum, obwohl dadurch keinerlei Mehrwert generiert wird. Das beste Beispiel dafür ist der Handel mit Derivaten. So betrügt sich der Kapitalismus selbst und irgendwann muss schliesslich jeder Betrug auffliegen.

Nach dem Scheitern und Zerfall der kommunistischen und faschistischen Systeme glaubten wir, dass nur noch der Kapitalismus in der Lage ist, Wohlstand zu schaffen. Doch nun steckt auch dieser Kapitalismus in einer seiner schwersten Krisen, weil angeblich zu viele seiner Protagonisten von der Gier befallen wurden und den Markt manipuliert haben. Wie bringen wir das Schiff wieder auf Kurs? Continue reading

Unser Geld- und Wirtschaftssystem hat einen Konstruktionsfehler – Teil 3

Nach der Betrachtung der Grundlagen und Wirkungsweisen des Geldsystems im ersten Teil und zweiten Teil wollen wir uns im dritten Teil mit der ethischen, mathematischen und wahrnehmungspsychologischen Seite unseres Geldsystems befassen. Zum Schluss dieses Beitrags gibt’s einen Ausblick auf mögliche Lösungsansätze, bevor es dann in Teil 4 und Teil 5 vor allem mit Videos weitergeht.

Zins, Gier und Macht

Geld entsteht also durch Verschuldung und entsprechend ist ein Geldschein ein Schuldschein. Eine Bank generiert Geld aus dem Versprechen des Kreditnehmers, den Kredit (zurück) zu bezahlen. Als Sicherheit verpfändet dieser sein Eigentum, d.h. Geld entsteht durch Belehnung von bereits vorhandenem Eigentum. Das Geld für die Rückzahlung sowie für den Zins entsteht jedoch aus dem Kapital durch Arbeit, welches wiederum (wenn auch indirekt) als Sicherheit für einen neuen Kredit herhalten muss. Wenn uns die verpfändbaren Sicherheiten ausgehen, weil unser Wirtschaftswachstum nicht mit der exponentiell wachsenden Zinsspirale Schritt halten kann, ist Ende der Fahnenstange. Wer jetzt dabei an Schneeballsysteme denkt, liegt völlig richtig. Geld kann nicht durch sich selber entstehen und Geld kann selber nicht arbeiten, wie uns die Bankenwerbung mit dem Slogan „Lassen Sie Ihr Geld arbeiten!“ weiss machen will. Nur Menschen können arbeiten und die Früchte ihrer Arbeit in Geld tauschen.

Geld arbeiten lassen
Geld arbeiten lassen

Die Umverteilung des Geldes über den Zins erfolgt nicht aufgrund von Leistung sondern basiert darauf, dass jemand Geld spart und dieses damit dem Umlauf entzieht. Dadurch verliert das Geld seine Funktion als Tauschmittel. Erst durch die „Belohnung“ über den Zins wird das Geld wieder als Kredit in Umlauf gebracht. Dadurch wächst der Druck auf die Umverteilung des Geldes. Der Zins macht Geld zum Spekulationsobjekt und zum Krebsgeschwür unserer Wirtschaft. Der Zins ist das Anrecht auf mehr Geld, weil man schon welches besitzt, ohne dafür selber arbeiten zu müssen. Er stellt eine Übervorteilung des Kreditnehmers dar, denn Kredite werden über den Zins je nach Zinssatz und Laufzeit nicht selten mehrmals abbezahlt. Hier zeigt sich die Wahrheit im Spruch „wer hat, dem wird gegeben“.

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Unser Geld- und Wirtschaftssystem hat einen Konstruktionsfehler – Teil 2

Wem die Ausführungen im ersten Teil etwas zu komplex und unverständlich erscheinen, sollen ein paar Zahlenbeispiele den Konstruktionsfehler unseres Geld- und Wirtschaftssystems verständlich machen. Danach schauen wir die Beschleunigung der Aufblähung durch Finanzderivate an und für die Lesefaulen gibt’s am Schluss noch einen Film. Die ethischen, mathematischen und wahrnehmungspsychologischen Betrachtungen folgen im dritten Teil mit einem Ausblick auf mögliche Lösungsansätze, bevor es dann in Teil 4 und Teil 5 vor allem mit Videos weitergeht.

Zins und Zinseszins konkret

Wird ein Geldbetrag von 100 Franken zu 10 Prozent Zins angelegt, so wächst das Guthaben über eine Laufzeit von 50 Jahren auf rund 12’000 Franken an. Bei der Wirtschaftlichkeitsrechnung von Investitionen werden die jährlichen Geldzuflüsse und -abflüsse bei der Berechnung des NPV (Net Present Value) in der Regel mit einem Zins von 12 Prozent abdiskontiert. Mit einer solchen Rendite können sich soziale und ökologische Projekte nicht messen.

Zinseszinskurve
Die Zinseszinskurve ist eine Exponentialfunktion

Ein weiteres Beispiel zeigt die Absurdität des Zinseszinses. Hätte Josef bei Jesu Geburt für diesen ein Sparkonto mit einer Einlage von 1 Cent eröffnet, wäre dieses bei einer Verzinsung mit 5 Prozent im Jahr 2000 1’125 Billiarden (15 Nullen) Erdkugeln aus Gold wert gewesen und bereits im Jahre 1400 hätte er eine ganze Erdkugel aus Gold kaufen können.

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Unser Geld- und Wirtschaftssystem hat einen Konstruktionsfehler – Teil 1

Die anhaltende Finanz- und Weltwirtschaftskrise hat mich veranlasst, mich eingehender mit dem Thema Geld zu befassen. Es ist schon erstaunlich, wie viel über die Symptome der „Geldkrankheit“ geschrieben und gesprochen wird, nicht aber über deren wirklichen Ursachen, die systemimmanent (d.h. im System selber begründet) sind. Bereits während meinen Studienjahren hatte ich das Gefühl, dass meine Wirtschaftsdozenten nicht wirklich verstanden haben, was sie uns Ingenieur-Studenten erzählten. Heute weiss ich, dass es so ist, und anscheinend sind Ökonomen die wohl miesesten Mathematiker und Systemarchitekten auf Gottes Erden – mit einigen ganz wenigen Ausnahmen, von denen die grosse Mehrheit jedoch keine Kenntnis nehmen will. Da soll mir doch solch ein Geldwirtschaftler noch einmal über schlecht funktionierende IT-Systeme fluchen, wenn er selber nicht einmal die wesentlich einfacheren Zusammenhänge des Geldsystems und seiner Auswirkungen versteht!

Auf meine langjährige Frage, wozu wir denn eigentlich ein ständiges Wirtschaftswachstum brauchen, bekam ich als Student und auch später nie eine nur annähernd befriedigende Antwort. In den letzten Monaten habe ich diese nun gefunden und versucht, in dieser Beitragsreihe verständlich zusammenzufassen: ökonomisch, mathematisch-naturwissenschaftlich, geschichtlich, philosophisch, ethisch, psychologisch und sozialpolitisch. Es geht mir dabei nicht darum, jemanden persönlich anzuschwärzen oder zu verurteilen. Vielmehr möchte ich zum allgemeinen Verständnis der Grundlagen, Zusammenhänge und Wirkungen unseres Geld- und Wirtschaftssystems beitragen und für eines der brennendsten und grundlegendsten Probleme unserer Zeit und ihre Ursachen sensibilisieren, denn ohne eine breite öffentliche Diskussion lässt sich das Problem nicht lösen. Aber Achtung: die Lektüre dieser Beitragsreihe kann das Weltbild des geneigten Lesers grundlegend und nachhaltig verändern!

Intuitiv wusste ich es eigentlich schon lange

Da war einerseits der Energieerhaltungssatz (Die Gesamtenergie in einem geschlossenen System ist konstant und ändert sich genau um den Betrag, der ihm an Energie zu- oder abgeführt wird) und andererseits das exponentielle Wirtschaftswachstum (Exponentialfunktion: f(t)=a·bc·t ) und ich brachte beides einfach nicht unter einen Hut. Kein System kann unendlich in den Himmel wachsen, ohne irgendwann einmal zu kollabieren. Der Turmbau zu Babel ist das älteste überlieferte, mir bekannte Beispiel eines derartigen, in den Himmel wachsenden Systems, das eingestürzt ist, auch wenn die Geschichte wohl eher als Metapher für die Überheblichkeit des Menschen Gott gegenüber zu verstehen ist. In Babel waren Arroganz und Grössenwahn die Wurzel allen Übels und wurden von Gott bestraft. Diese Bestrafung kann als Naturgesetz betrachtet werden und Naturgesetze lassen sich nicht austricksen sondern höchstens nutzen, sofern man sie versteht. Irgendwie klingt das ja auch logisch. Aber trotzdem halten wir unbeirrt an einem exponentiellen, unbegrenzten Wirtschaftswachstum fest. Wir fordern dieses sogar, denn angeblich soll Stillstand Rückschritt sein. Also darf es keine Wirtschaft geben, die nicht ständig wächst. Aber wohin und wozu ständig wachsen? Und welche Berechtigung hat die allgemein akzeptierte Forderung des Kapitalismus, dass jedes Kapital Zinsen abwerfen muss, um rentabel zu sein?

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