Das Zinsverbot, das ursprünglich in allen drei Religionen Christentum, Judentum und Islam lange Zeit Gültigkeit hatte und mit ethischen Argumenten begründet wurde, lässt sich auch mathematisch und naturwissenschaftlich begründen. Deshalb wollen wir in diesem Beitrag die mathematischen Grundlagen des Zinsverbots etwas näher untersuchen und werden zur Erkenntnis gelangen, dass Ethik den Gesetzen der Mathematik und der Naturwissenschaften folgt. Nur ein System, das sich im Einklang mit den Gesetzen der Natur befindet und mathematisch korrekt ist beziehungsweise den Energieerhaltungssatz erfüllt und mindestens einen Gleichgewichtszustand kennt, kann auch ethisch sein. Dies ist eine unabdingbare, wenn auch vielleicht nicht immer hinreichende Voraussetzung. Manchen wird dies intuitiv logisch erscheinen. Anderen, die dies zum ersten Mal hören, wird dies im ersten Moment womöglich etwas esoterisch vorkommen. Doch in den Naturwissenschaften ist weder für Esoterik noch für Mystik Platz. Im schlimmsten Fall gibt es Unwissenheit oder mangelnde Erkenntnisfähigkeit wie auch im Zusammenhang mit unserem Geldsystem.
Mit dem Begriff der Ethik eng verbunden ist auch der Begriff der Schuld. Diese definiert sich aus Sicht der Ethik als ein Verstoss gegen die Normen der Ethik. Wer diese Normen verletzt, handelt unethisch und lädt dadurch Schuld auf sich. Zur Entschuldigung beziehungsweise Entschuldung bedarf es der Sühne, die der Schuldige zu leisten hat, um die Ordnung wiederherzustellen. Dies ist sowohl in allen Religionen als auch in jedem Rechtssystem so. Im Zusammenhang mit den Konstruktionsfehlern unseres Geldsystems stellt sich daher auch hier die Frage nach den Schuldigen für diesen Fehler. Wer hat dieses kranke System konstruiert und wer soll dafür Busse tun? So einfach diese Frage ist, so überraschend ist hingegen für manchen vielleicht die Antwort darauf.
Mathematische und naturwissenschaftliche Grundlagen der Finanzethik
Unser Geldsystem hat den grundlegenden Konstruktionsfehler, dass Geld durch Verschuldung entsteht und dafür aus der geschöpften Geldmenge G selber ein Zins Z gezahlt werden muss. Dies lässt sich mathematisch einfach beschreiben. Die Gleichung, welche den Soll-Zustand und somit den Geldbedarf zum Zeitpunkt der Zinsfälligkeit beschreibt, lautet G(t1) = G(t0) + Z(t1), wobei t0 = Zeitpunkt der Geldschöpfung und t1 = Zeitpunkt der Zinsfälligkeit sind. Die Gleichung, welche den Ist-Zustand und somit die nach der Zinszahlung verbleibende Geldmenge beschreibt, heisst hingegen G(t1) = G(t0) – Z(t1). Diese beiden Gleichungen bilden ein einfaches Gleichungssystem, das nur lösbar ist, wenn Z(t1) = 0 ist. Ist der Term Z(t1) ungleich Null, entsteht ein mathematischer Widerspruch. Mit diesem widersprüchlichen Gleichungssystem erschliesst sich einem die alte Buchhalterweisheit: „Hundert Mark haben und nicht haben sind zweihundert Mark“.
Um den Widerspruch aufzulösen, müsste die zweite Gleichung durch einen zusätzlicher Term C(t1) als Korrekturfaktor ergänzt werden. Auch dieses Geld müsste durch Verschuldung geschöpft werden, für das wiederum ein Zins zu entrichten wäre. Das Gleichungssystem würde somit analog zu den beiden ersten Gleichungen durch zwei weitere Gleichungen C(t2) =C(t1) + Zc(t2) und C(t2) =C(t1) – Zc(t2) ergänzt, die aber wieder zum selben mathematischen Widerspruch wie schon bei den ersten beiden Gleichungen führen würden. Das Gleichungssystem ist nur lösbar, wenn das System im Gleichgewicht ist. Der Zins verhindert dieses Gleichgewicht. Das durch den Zins verursachte Ungleichgewicht im Geldsystem zwingt dieses zu einem exponentiellen Wachstum, bis das System kollabiert und wieder in einen Zustand des Gleichgewichts zurückfindet.
Soll die verfügbare, d.h. die nicht für die Zinszahlungen benötigte und somit wirklich frei nutzbare Geldmenge konstant bleiben, muss das Geld für die Zinsen immer wieder durch regelmässige zusätzliche Verschuldung geschöpft werden, wofür wiederum ein Zins zu entrichten ist, für den wiederum neues Geld durch Verschuldung geschöpft werden muss, und so weiter. Es muss ständig immer mehr Geld geschöpft werden, damit die exponentiell wachsende Zinslast bezahlt werden kann. Dieses System stellt ein klassisches Schneeballsystem mit einem typischen exponentiellen Wachstum dar. Der Zinseszins-Effekt gilt sowohl für die Haben-Seite als auch für die Soll-Seite einer Buchhaltung. Und beide Seiten müssen genau gleich gross sein, damit die Bilanz im Gleichgewicht ist. Somit wachsen die Geldvermögen und Geldschulden im Gleichschritt.
In der Natur sucht sich ein System, das sich im Ungleichgewicht befindet, dieses Gleichgewicht selber und setzt aufgrund der Naturgesetze einen Prozess in Gang, um wieder in einen Zustand des Gleichgewichts zu gelangen. Ich spreche bewusst nicht von dem sondern von einem Gleichgewichtszustand, denn es kann durchaus auch mehrere solche Zustände geben. Eine Kugel, die sich auf einer schiefen Ebene befindet, rollt diese hinab bis zu einem Punkt, bei dem sich die auf sie wirkenden Kräftevektoren aufheben und sich die Kugel wieder im Gleichgewicht befindet. Im Vakuum ist übrigens auch ein Körper im Gleichgewicht, der sich linear d.h. gleichmässig bewegt. Und immer gilt auch hier der Energieerhaltungssatz.
Wird eine elektrische Spannung kurzgeschlossen, entsteht ein Ungleichgewicht, dass zu einem spannungsausgleichenden Elektronenfluss (auch elektrischer Strom genannt) führt, bis die Spannung entladen ist und sich das System wieder im Gleichgewicht befindet. Beim Wasser verhält es sich ebenso. Solange die Staumauer die potenzielle Energie des Wassers im Gleichgewicht zu halten vermag, befindet sich das System Stausee im Gleichgewicht. Bricht die Staumauer, kippt das Gleichgewicht und die potenzielle Energie wird in kinetische Energie umgewandelt, die sich grösstenteils in Wärme- und Deformationsenergie entlädt, bis das Wasser zum Stillstand kommt und sich wieder im Gleichgewicht befindet.
Ein Finanz- und Wirtschaftssystem, das funktioniert und ethisch korrekt ist, muss sich folglich im Gleichgewicht befinden und den Energieerhaltungssatz erfüllen.
Die Frage der Schuld
Im Zusammenhang mit dem kranken Geldsystem und der damit verbundenen, ungerechten Vermögensumverteilung taucht immer wieder auch der Begriff der Verschwörung auf, denn wo es um Geld und Macht geht und die Gier regiert, sind auch Intrigen, Verschwörungen und Korruption zuhause. Unnatürlich wäre es, wenn dem nicht so wäre. Das wäre wie ein Kuhstall ohne Fliegen. Es ist jedoch falsch, hinter der ganzen Sache eine einzige grosse Verschwörung einer globalen Finanzelite, die nach der Weltherrschaft strebt, zu vermuten, auch wenn es solche Zirkel gibt. Ihre Existenz zu leugnen, würde von Ignoranz und Dummheit zeugen. Nur ist der Fehler nicht allein auf ihrem Mist gewachsen. Sie machen sich das System lediglich in unverschämter und skrupelloser Art und Weise zunutze. Weil es ihre Gier nach Macht und Geld befriedigt, besteht ihr Ansporn darin, das System zu schlagen und es beziehungsweise die arbeitende Bevölkerung für ihre Zwecke arbeiten zu lassen. Das taten sie auch schon lange, bevor das Zinsverbot dem Kapitalismus zum Opfer fiel.
Die Spieler im System, welche den schuld- und zinsbasierten Mechanismus der Geldschöpfung bedienen, sind die Banken. Sie machen Geld aus Geld und zelebrieren damit die Inzucht des Geldes. Es wäre jedoch falsch und zu trivial, einfach nur die Banken an den Pranger zustellen, denn sie spielen lediglich nach den Spielregeln, die wir ihnen und uns mit unseren Finanz- und Wirtschaftsgesetzen gegeben haben. Es ist schliesslich nur „natürlich“, dass die Banken den maximalen Nutzen für sich daraus zu ziehen versuchen, so wie wir es doch fast alle mehr oder weniger im Leben tun. Wir sind es, die von der Bank einen Zins für unsere Finanzanlagen und unsere Sparguthaben erwarten. Wie wir aus der Verhaltensforschung wissen, dient das Nutzenstreben der Selbsterhaltung der eigenen Art und der Schaffung von Sicherheit. Krankhaft ist es erst dann, wenn es zur Gier wird. Mit dem Zins Geld aus Geld erschaffen zu wollen, ist krank und widernatürlich, weil es den Energieerhaltungssatz und damit ein Naturgesetz verletzt. Gier ist die pathologische Ausprägung des Strebens nach Sicherheit und Selbsterhaltung. Gier kennt keine Grenzen, so wie auch die Exponentialfunktion, welcher die Zinseszinskurve folgt, unendlich und immer schneller wächst. Mit dem Zins haben wir diese Gier als grundlegenden Systembestandteil etabliert und damit ein krankes Finanz- und Wirtschaftssystem erschaffen. Den Fehler haben wir ausgeblendet und uns unserer Schuld gegenüber blind gemacht. Nun hat uns die Krise ereilt, weil das System kurz vor dem Kollaps steht, und wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Immer mehr Menschen leider darunter. Wir haben den Überblick und den Sinn für die auch in der Wirtschaft geltenden Naturgesetze verloren. Wir versuchen, die Geldkrankheit mit noch mehr krankem Geld zu kurieren. Wir sind gefangen in unserer Paradigma-Paralyse und anscheinend unfähig, uns aus der Grube, die wir uns selber gegraben haben, zu befreien. Wir ärgern uns über unsere eigene Dummheit die Dunkelheit und warten darauf, bis einer das Licht anschaltet, anstatt dass wir dies selber tun würden. Wir sind das Volk! Oder sind wir bloss ein Volk von Ignoranten?
Eine zusätzliche Schuld an der ganzen Misere tragen all jene, welche mit Derivatgeschäften zusätzlich Spekulationsblasen erzeugen und so äusserst wirkungsstarke Katalysatoren zur Beschleunigung der pathologischen Auswirkungen des Systemfehlers erschaffen. Auch sie werden dabei von ihrer Gier getrieben. Von wissenschaftsblinden Ökonomen wird der Fokus gerne von den grundlegenden, konstruktionsbedingten Ursachen der Krise auf diese Katalysatoren gelenkt. Es liegt an uns allen, die ethische Ordnung wiederherzustellen. Jeder kann zumindest mit Aufklärungsarbeit dazu beitragen. Und vielleicht täten wir gut daran, den Schuldigen aus christlicher Nächstenliebe zu vergeben, damit bei der Bereinigung kein Blut vergossen wird.