Zinseszins

Unser Geld- und Wirtschaftssystem hat einen Konstruktionsfehler – Teil 6

Es freut mich, dass meine Artikelserie „Unser Geld- und Wirtschaftssystem hat einen Konstruktionsfehler“ (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4 und Teil 5) bereits ein paar tausendmal gelesen wurde. Ergänzend dazu verweise ich nun gerne auf den Vortrag „Finanzmarktkrise – Ergebnisse einer Fehlentwicklung, die wir korrigieren können“ von Prof. Dr. Dr. Wolfgang Berger vom 30.01.2009 im Zeughaus in Augsburg:

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Professor Berger erklärt auch für Laien verständlich, …

  1. in welcher Situation sich unsere globale Wirtschaft befindet,
  2. wie Hedge- und Equityfunds und das Geschäft mit Leerverkäufen funktionieren,
  3. zu welchen Exzessen der kurzfristigen Gewinnmaximierung das „Shareholder Value“-Denken in der von der Geldgier getriebenen, neoliberalen, kapitalistischen Wirtschaftsordnung geführt hat (mit einem anschaulichen Zahlenbeispiel zu Kreditverbriefung und Hedgefunds),
  4. was eine Exponentialfunktion ist und wie die Zinseszinsfunktion als eine solche Exponentialfunktion die Verschuldung nach oben treibt und die realen Einkommen nach unter drückt,
  5. wie die Grossbanken zusammen mit dem IWF und der Weltbank die Entwicklungsländer durch Verschuldung in die Abhängigkeit treiben und ausbeuten,
  6. warum die Wirtschaftslehre von Milton Friedmann falsch ist,
  7. wie ein durch eine Demurrage (Liegegebühr) umlaufgesichertes Geld als praktikable Alternative zum aktuellen Geldsystem funktioniert,
  8. wieviel Zinsen wir mit unseren Ausgaben bezahlen,
  9. wie das durch einen Abschlag umlaufgesicherte Geldsystem im Mittelalter zu Wohlstand geführt hat,
  10. wie es dann aber durch Exzesse zur Forderung nach dem „Dauergeld“ gekommen ist, was wiederum ganz Europa in Krieg und Verderben gestürzt hat,
  11. und wie heute Geld von Arm nach Reich umverteilt wird.

Wir ärgern uns über die Wirtschaftskrise und bangen um unsere Jobs und Existenzen. Und wir wundern uns zum Beispiel, dass die Gesundheitskosten explodieren. Doch wenn man bedenkt, dass unser gesamtes Gesundheitssystem mit seiner teuren Infrastruktur praktisch ausschliesslich über Kredite finanziert ist, sollte dies uns eigentlich überhaupt nicht erstaunen.

Wir sind in unserer Paradigma-Paralyse gefangen und anscheinend (noch) unfähig, das System zu begreifen und uns dagegen zur Wehr zu setzen. Es wird Zeit, endlich aus dem Dornrösschenschlaf aufzuwachen, denn es gibt ein Leben ausserhalb der Matrix!

Unser Geld- und Wirtschaftssystem hat einen Konstruktionsfehler – Teil 1

Die anhaltende Finanz- und Weltwirtschaftskrise hat mich veranlasst, mich eingehender mit dem Thema Geld zu befassen. Es ist schon erstaunlich, wie viel über die Symptome der „Geldkrankheit“ geschrieben und gesprochen wird, nicht aber über deren wirklichen Ursachen, die systemimmanent (d.h. im System selber begründet) sind. Bereits während meinen Studienjahren hatte ich das Gefühl, dass meine Wirtschaftsdozenten nicht wirklich verstanden haben, was sie uns Ingenieur-Studenten erzählten. Heute weiss ich, dass es so ist, und anscheinend sind Ökonomen die wohl miesesten Mathematiker und Systemarchitekten auf Gottes Erden – mit einigen ganz wenigen Ausnahmen, von denen die grosse Mehrheit jedoch keine Kenntnis nehmen will. Da soll mir doch solch ein Geldwirtschaftler noch einmal über schlecht funktionierende IT-Systeme fluchen, wenn er selber nicht einmal die wesentlich einfacheren Zusammenhänge des Geldsystems und seiner Auswirkungen versteht!

Auf meine langjährige Frage, wozu wir denn eigentlich ein ständiges Wirtschaftswachstum brauchen, bekam ich als Student und auch später nie eine nur annähernd befriedigende Antwort. In den letzten Monaten habe ich diese nun gefunden und versucht, in dieser Beitragsreihe verständlich zusammenzufassen: ökonomisch, mathematisch-naturwissenschaftlich, geschichtlich, philosophisch, ethisch, psychologisch und sozialpolitisch. Es geht mir dabei nicht darum, jemanden persönlich anzuschwärzen oder zu verurteilen. Vielmehr möchte ich zum allgemeinen Verständnis der Grundlagen, Zusammenhänge und Wirkungen unseres Geld- und Wirtschaftssystems beitragen und für eines der brennendsten und grundlegendsten Probleme unserer Zeit und ihre Ursachen sensibilisieren, denn ohne eine breite öffentliche Diskussion lässt sich das Problem nicht lösen. Aber Achtung: die Lektüre dieser Beitragsreihe kann das Weltbild des geneigten Lesers grundlegend und nachhaltig verändern!

Intuitiv wusste ich es eigentlich schon lange

Da war einerseits der Energieerhaltungssatz (Die Gesamtenergie in einem geschlossenen System ist konstant und ändert sich genau um den Betrag, der ihm an Energie zu- oder abgeführt wird) und andererseits das exponentielle Wirtschaftswachstum (Exponentialfunktion: f(t)=a·bc·t ) und ich brachte beides einfach nicht unter einen Hut. Kein System kann unendlich in den Himmel wachsen, ohne irgendwann einmal zu kollabieren. Der Turmbau zu Babel ist das älteste überlieferte, mir bekannte Beispiel eines derartigen, in den Himmel wachsenden Systems, das eingestürzt ist, auch wenn die Geschichte wohl eher als Metapher für die Überheblichkeit des Menschen Gott gegenüber zu verstehen ist. In Babel waren Arroganz und Grössenwahn die Wurzel allen Übels und wurden von Gott bestraft. Diese Bestrafung kann als Naturgesetz betrachtet werden und Naturgesetze lassen sich nicht austricksen sondern höchstens nutzen, sofern man sie versteht. Irgendwie klingt das ja auch logisch. Aber trotzdem halten wir unbeirrt an einem exponentiellen, unbegrenzten Wirtschaftswachstum fest. Wir fordern dieses sogar, denn angeblich soll Stillstand Rückschritt sein. Also darf es keine Wirtschaft geben, die nicht ständig wächst. Aber wohin und wozu ständig wachsen? Und welche Berechtigung hat die allgemein akzeptierte Forderung des Kapitalismus, dass jedes Kapital Zinsen abwerfen muss, um rentabel zu sein?

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