Leitkultur

Geld und Religion

Das Geldsystem ist zur Religion geworden und Religionen wurden monetarisiert. Bei näherer Betrachtung haben beide viel mehr Gemeinsamkeiten als man auf den ersten Blick annehmen würde, denn Glaube und Vertrauen zählen zum Kerngeschäft der Kirchen wie auch der Banken. Der Glaube ihrer „Kunden“ an gemeinsame Werte hält beide zusammen. Doch obwohl die Werte der Kirche und der Banken grundverschieden sind, lassen sich teils erstaunliche Gemeinsamkeiten erkennen. Im Folgenden habe ich meine Erkenntisse als Nonkonformist zusammengefasst.

Religion und Geld sind Weggefährten

OpferstockDie Entstehung und die Geschichte des Geldes sind eng mit jener der Religionen verknüpft und der Zusammenhang zwischen Geld und Religion zieht sich durch bis in die Neuzeit. Bereits in der Antike wurden die Götter mit Geld als Opfergabe besänftigt. Dies setzte sich im Mittelalter im Ablasshandel fort, der als Perversion des Busssakramentes den Gläubigen bei Erfüllung bestimmter Leistungen und speziell bei Zahlung eines bestimmten Geldbetrages den Erlass von irdischen Strafen und die Verkürzung der Reinigungszeit im Fegefeuer nach dem Tod versprach („Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt“). Der Kirche bescherte der Ablasshandel einen reichen Geldsegen. Ob dies nun auf ein religiöses Missverständnis oder eine bewusste Missinterpretation zurückzuführen ist, bleibt wahrscheinlich unbeantwortet. Jedenfalls besteht das Busssakrament nicht bloss aus der Satisfactio (Genugtuung, Wiedergutmachung) sondern setzt die Reue der sündhaften Tat sowie das explizite Sündenbekenntnis voraus. Noch heute zeigt sich aber vielerorts die Vorstellung, dass mit Geld alles käuflich wäre.

Die Religion einer jeden Kultur definiert und prägt ihr Wertesystem, an dem sie alle Taten und Dinge misst, wie auch das Geldsystem die Wirtschaft prägt und die Rahmenbedingungen (zum Beispiel den Zwang zu exponentiellem Wirtschaftswachstum) vorgibt. Wie die Religion hat auch Geld eine normative Funktion, das heisst eine Funktion als Wertmassstab. Bei beiden entsteht dieser über einen Wertekonsens, der sich heute bei beiden im Umbruch befindet.

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