Unbekannte Subkulturen – Skinheads und Punks

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Skinhead - A Way Of LifeSkinheads sind rechtsradikale Rassisten und gewalttätig, lautet das übliche Vorurteil gegen die mehr oder weniger kahl geschorenen Schnürstiefelträger. Dieses Bild mag für manche von ihnen zutreffen, doch Skinheads sind noch lange nicht alle Neo-Nazis, weshalb ein synonymer Gebrauch dieser beiden Begriffe falsch ist. Der Anblick von schwarzen, jüdischen oder christlichen Skins löst bei Aussenstehenden meist Irritationen aus, denn die Heterogenität der „Glatzen“ ist den meisten bürgerlichen Zeitgenossen weitgehend unbekannt. Als ähnlich stereotyp steht Punk für in schmuddeliges, schwarzes Leder gehüllte Träger von zerrissenen Jeans und bunten Irokesen-Frisuren mit Sicherheitsnadeln in der Gesichtshaut. Doch hinter diesen Fassaden stecken Menschen mit Sehnsüchten und Ängsten, die sich von denen der bürgerlichen Gesellschaft gar nicht einmal so stark unterscheiden.

Gesellschaftliche Normen und die Angst vor dem Unbekannten

mohawk-hairstyleIn bürgerlichen Kreisen werden alle von der gesellschaftlichen Norm abweichenden Subkulturen als abnorme und äusserst suspekte Lebensformen wahrgenommen, vor deren Einflüssen man seine Kinder gerne schützen möchte, und man hofft, dass sie mit ihnen am liebsten erst gar nicht in Kontakt kommen, um nicht der Gefahr einer geistigen, seelischen oder gesundheitlichen Infektion ausgesetzt zu werden. Und trotzdem reizt gerade dieses anders Sein den nach Eigenständigkeit und nach Unabhängigkeit vom Elternhaus suchenden Nachwuchs, der sich im Zuge der zunehmenden Freiheiten daran macht, die Welt zu entdecken und zu erobern. Vor allem via Internet können sie mit allen auch noch so kleinen und ausgefallenen Subkulturen in Kontakt treten. Ganz besonders auf YouTube finden sich Tausende von Videos zu diesen und über die Vorschläge zu ähnlichen Videos hangelt man sich leicht von einer Information zur nächsten. Es ist heute praktisch unmöglich geworden, Kinder vor solchen Kontakten zu schützen, will man ihnen die Teilnahme an der internetbasierten Informationsgesellschaft nicht gänzlich verbieten.

Als Vater mit Kindern in der Übergangsphase zum Erwachsenenalter habe ich mich an meine eigene Jugend und die Ängste und Sorgen meiner Eltern zurück erinnert (nein, ich war weder Skinhead noch Punk) und habe mich aufgemacht, mich über die aktuellen Jugendsubkulturen zu informieren. Schliesslich will man vorbereitet sein, sollte der Moment kommen, den Kindern diese anderen Welten erklären zu müssen. Kinder sind von Natur aus neugierig und wollen die Welt erkunden und begreifen lernen. Wenn man sie schon nicht vor den reichlich vorhandenen Gefahren, schlechten Einflüssen und Versuchungen abschirmen kann, sollte man doch wenigstens in der Lage sein, ihnen diese zu erklären und ihnen den richtigen Umgang mit ihnen beizubringen. Wer den Feind kennt, braucht ihn weniger zu fürchten. Doch lange nicht alle Subkulturen sind nur schlecht und gefährlich und ihre Darstellung in den Massenmedien wird der Realität in keiner Weise gerecht. Die Medien berichten meist nur über einzelne extreme Erscheinungen, welche die bestehenden Vorurteile lediglich zementieren und als Objekte des Voyeurismus dienen, um die Einschaltquoten und Leserzahlen zu erhöhen und damit attraktiver für Werbetreibende zu sein.

Eine differenzierte Betrachtung lohnt sich und fördert oft auch in der öffentlichen Wahrnehmung völlig unbekannte Seiten von Parallelwelten zu Tage. Der grösste Unterschied zu früheren Generationen besteht darin, dass die Umgangsformen heute meist härter und archaischer sind. Vielleicht ist das darauf zurückzuführen, dass die Unzufriedenheit der Jugend mit der heutigen Gesellschaft und ihren selbstgemachten Problemen noch grösser als früher ist und deshalb viele Jugendliche einen grösseren Abstand zu dieser Gesellschaft brauchen, um sich langsam an sie heranzutasten.

Das Spektrum der Skinheads und Punks

Die in diesem Beitrag gezeigten Videos widerspiegeln weder mein Lebenskonzept noch meinen persönlichen Geschmack, sondern dienen lediglich der Illustration der Subkulturen der Skinheads und Punks.

Trojan SkinsSkinheads stellen eine von vielen jugendlichen Subkulturen dar und sind ursprünglich grundsätzlich unpolitisch. Entstanden ist die Bewegung Ende der 60-er Jahre durch Jugendliche in der Arbeiterklasse und unteren Mittelklasse von England, die im Gegensatz zu den modisch orientierten „Mods“ und den nach neuen Gesellschaftsmodellen suchenden Hippies stolz auf ihre Herkunft waren und dies durch ihre spezielle „proletarische Ästhetik“ zum Ausdruck brachten. Allen diesen Subkulturen gemeinsam ist jedoch die Rebellion gegen das (Spiess-)Bürgertum.


skinheads dem a come

Nazi-Skinheads in den USADie Musik der Skinheads war ursprünglich Skinhead-Reggae und Ska. Die vor allem bei den meist glatt rasierten Nazi-Skins beliebte, härtere Gangart mit Heavy Metal (und den damit teilweise verbundenen satanistischen bzw. okkultistischen oder völkischen) Einflüssen oder Punk-Einflüsse (→ Oi!) kamen erst später hinzu. In dieser Ecke ist auch die Gewaltbereitschaft grundsätzlich höher als bei den traditionellen Skins, welche auf die sanftere Ska-Musik stehen. Auch die Minderheit der linksradikalen „Redskins“ beziehungsweise der RASH-Skins (Red and Anarchist Skinheads) tritt aggressiver in Erscheinung als die anti-rassistischen „SHARP-Skins“ (Skinheads Against Racial Prejudice) oder die traditionellen „Trojan-Skins“, deren Erkennungszeichen ein stilisierter Trojanerhelm des auf Reggae-Musik spezialisierten Labels Trojan Records ist.


Skinheads Reggae

Eine Erscheinung neueren Datum sind sich auf das Christentum berufende und missionierende Skinheads:


Jesus-Skins in Deutschland

Irritiert? An Punks hingegen haben wir uns schon lange gewöhnt. Doch kaum ein Normalo hatte schon einmal Einblick in diese skurrile Welt:


Einblicke in des Leben eines Islington Squatter Punks (1983)

Punk mit Liberty SpikesPunk bedeutet im Englischen ursprünglich „faules Holz“ und wird auch als Synonym für Dummkopf oder Nichtsnutz verwendet. Damit soll die Wertlosigkeit (nach bürgerlichen Massstäben) ausgedrückt werden. Der in den 70-er Jahren entstandene Punk steht aber auch für einen Musikstil, der sich als wilder, chaotischer Rock mit derben Texten artikuliert und in ähnlicher Weise vom klassischen Rock’n’Roll unterscheidet wie der Free Jazz vom klassischen Jazz, nur eben viel aggressiver. Die Sex Pistols oder The Clash waren eine der ersten Vertreter dieses Musik-Genres mit einem aggressiven künstlerischen Anspruch als Kontrast zur im Gegensatz dazu eher naiv-idealistischen Musik der bekifften Hippies. Selbstzerstörung, Frustration und das eigene Leiden inmitten einer Welt, die sich dem Kommerz verschrieben hat, sind immer wieder zentrale Themen. Die Verweigerung gegenüber dem Rest der Gesellschaft und eine destruktive Grundhaltung (Anti-Alles) ohne Zukunftsperspektive (No Future) wurde und wird besonders von Strassenpunks konsequent als Lebensstil zelebriert und auch öffentlich und provokativ zur Schau gestellt. Diese sind vor allem in der Hausbesetzerszene stark vertreten.

Up The Punx

Alternative Lebenskonzepte

Demi Moore als Edel-PunkDas politische Spektrum der Skinheads ist sehr breit und vergleichbar mit jener der Punk-Szene, welche neben Anarcho-Punks mit Tendenzen zur Linksradikalität auch eine kleinere Gruppe von Nazi-Punks sowie viele völlig unpolitische und friedliche Punks kennt. Im Gegensatz zu den Skinheads ist Kunst bei den Punks in verschiedenen schrillen, alternativen Erscheinungsformen Bestandteil des sich vom Bürgertum abgrenzenden Lebensgefühls, wodurch Punk durchaus etwas Avantgardistisches hat. Besonders in besser betuchten Künstlerkreisen war in den 80-er Jahren der „Edel-Punk“ als eine hochstilisierte Erscheinungsform dieser Subkultur beliebt, so wie sich heute überbezahlte Banker am Wochenende in Lederklamotten schmeissen und sich auf ihre hochglanzpolierten Edel-Harleys schwingen, um sich ein Stück Rocker-Freiheit zu erhaschen und dem auf Leistung gezüchteten Berufsalltag einen Kontrapunkt zu setzen. Da solche Perversionen (zumindest aus Sicht der Hardcore-Szenenmitglieder) und bürgerliche Imitationen jugendlicher Subkulturen dem Mainstream entspringen, sind sie als Modeerscheinungen jedoch stets nur von kurzer Dauer.


Punks am REBELLION Fest 2011

Während bei den Punks eher Anarchismus, Nihilismus und Individualismus das nonkonformistische Lebensgefühl prägen, haben Ordnung und Gemeinschaft bei den Skinheads einen hohen Stellenwert. Die meisten Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte zwischen Skinheads und Punks finden sich bei den Oi!-Skins und Oi!-Punks. Dies zeigt deutlich, welche Brückenfunktion Musik zwischen den Kulturen haben kann. Die Härte der bevorzugten Musik widerspiegelt zudem die grundsätzliche Einstellung zu Gewalt und die eigene Gewaltbereitschaft.


Smegma: Oi! Punk

Tätowierungen sind in beiden Szenen (wie auch sonst in den meisten gegen das Establishment rebellierenden Subkulturen) sehr beliebt und auch Alkohol und Zigaretten werden in beiden in deutlich überdurchschnittlichen Mengen konsumiert, doch (andere) Drogen sind praktisch nur bei Punks zu finden.


Betontod: Viva Punk


The Distillers: Young Crazed Peeling

Die Jugend auf dem Pfad der Identitätsfindung

Auch wenn das auf den ersten Blick so aussehen mag, doch Skins und Punks tragen keine billigen Klamotten sondern meist spezielle, szenen-spezifische Markenware, die (wahrscheinlich auch wegen der relativ geringen Stückzahlen) im oberen Preissegment angesiedelt ist. Angehörige von Subkulturen legen stets grossen Wert auf ihre Kleidung und hungern sich diese lieber zusammen, als sich wohlgenährt in billigen 08/15-Klamotten in der Szene blicken zu lassen. Schliesslich ist die Kleidung ein wichtiges Zugehörigkeits- und Erkennungsmerkmal, über welches die Mitglieder ihre adoleszente Identität definieren. Manchmal hilft dies ihnen auch, ihre emotionale Instabilität auf ihrem Weg zur Selbstfindung zu kaschieren und kompensieren.


Wie macht man eine Stachel-Irokesen-Frisur (in Anlehnung an die New Yorker Freiheitsstatue Liberty Spikes genannt)?

Rebellion gegen die Welt der Erwachsenen war schon immer Bestandteil der Jugendkulturen. Wer die gesellschaftlichen Grenzen noch nie überschritten hat, um sie auch einmal von der anderen Seite zu sehen, wird diese kaum je wirklich begreifen. Der Mensch ist ein soziales Wesen, dass sich Gleichgesinnte sucht, um auf einem Wertekonsens basierende Gemeinschaften zu bilden. Innerhalb dieser Gemeinschaften schafft er sich ausgehend von einer anarchistischen und archaischen Ordnung mit ebensolchen Ritualen (für ihn) neue Strukturen höherer Ordnung, um sich innerhalb der Gemeinschaft effizient orientieren und zurechtfinden zu können. Erst wenn der heranwachsende Mensch deren Sinn erfahren und begriffen hat, wird er sich auch mit dem Status Quo in der Welt der Erwachsenen zurecht finden und sich mit dieser weitgehend arrangieren. Jene, denen diese Erkenntnis verwehrt bleibt oder die zu weit über die Grenze gegangen sind, bleiben gefangen in ihren archaischen Subkulturen mit ihren eigenen Gesetzen, die sie ihre Familie nennen, und hinterlassen bei anderen einen infantilen Eindruck. So sagte meine ältere Tochter einmal nach einem Zusammentreffen mit ein paar meiner alten Kumpels beim Samstagseinkauf zu mir: „Papi, aber die sind schon irgendwie stehen geblieben“. Kinder haben zum Glück ein natürliches Empfinden und wissen ihre Umwelt oft besser zu bewerten als wir Erwachsene manchmal glauben.