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Das Immaterialgüterrecht beschäftigt mich nun schon seit einigen Jahren. Mir scheint, dass das geltende Recht und dessen aktuelle Weiterentwicklung immer weniger das Rechtsempfinden der breiten Bevölkerung widerspiegelt. Durch die Digitalisierung und anhand der Patentierung von Nahrung und lebenden Organismen wird diese Kluft erst wirklich so richtig sichtbar. Das Immaterialgüterrecht ist weder ein Naturrecht, noch basiert es auf einer sozialen Konvention. Es wurde von einer juristischen Elite erfunden, um einer kleinen Minderheit einen kommerziellen Vorteil zu verschaffen. Die Zahl der Rechtsanwälte, die sich mit dem Immaterialgürrecht befassen, ist die zweitgrösste gleich nach der der Scheidungsanwälte. So einfach das Thema auf den ersten Blick auch zu sein scheinen mag, so kompliziert ist die Materie, wenn man sich mit ihrer konkreten (technischen) Anwendung und ihren massiven gesellschaftlichen Auswirkungen befasst. Dann kommt man nicht umhin, neben kommerziellen und rechtlichen Aspekten sowohl die Ethik als auch die Funktionsweise der Technologie in die Überlegungen miteinzubeziehen. Dies habe ich in den vergangenen Jahren getan und meine Gedanken dazu in dieser 3-teiligen Beitragsreihe formuliert.
Zum Immaterialgüterrecht gehören das Patentrecht, das Marken- und Designrecht und das Urheberrecht. Die vorliegende Beitragsreihe beschäftigt sich ausschliesslich mit dem Patent- und dem Urheberrecht, ihrer Anwendung im Zusammenhang mit den aktuellen Technologien und den damit verbunden Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Rechtspraxis.
Gesellschaftliche Auswirkungen technologischer Entwicklungen
Dank der Informations- und Kommunikationstechnologie von heute ist die digitale Speicherung, Verarbeitung und Übertragung von Informationen innert kürzester Zeit, ohne Qualitätsverlust und unabhängig von der Übertragungsdistanz möglich. Dies führt zu immer schnelleren Entwicklungszyklen im Markt und ganz neuen Herausforderungen in einer globalisierten Gesellschaft, deren Wirtschaftswachstum in erster Linie auf dem Raubbau an natürlichen Ressourcen, einer stetig wachsenden Verschuldung und einer erhöhten Umlaufgeschwindigkeit von Geld und Gütern basiert. Zu einem der in diesem Zusammenhang brisantesten Themen gehört unbestritten das Immaterialgüterrecht mit weitreichenden Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.
Vor der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg in Europa und parallel dazu durch die Chinesen war Wissen(schaft) nur wenigen der Schrift Mächtigen vorbehalten, die Zugang zu den von Hand geschriebenen Schriften hatten. Durch den Buchdruck wurden Dokumente kostengünstiger und wesentlich schneller reproduziert und so das Wissen verbreitet und weiterentwickelt, was aber vor allem erst durch den freien Zugang sowie die gemeinsame Nutzung und den gegenseitigen Austausch ermöglicht wurde. Später wurden der vormals freie Zugang zu Wissen und dessen freie Nutzung durch die Einführung von Urheberrechten und Patenten ganz erheblich eingeschränkt. Seither sind nur noch ein paar wenige an der Profitteilhaberschaft berechtigt, denen ein Recht an der Wissensverwertung zugebilligt wird oder die ein solches Recht als Erste geltend gemacht und in einem Register eingetragen haben. Erst mit dem Immaterialgüterrecht wurde es möglich, eine Wissensökonomie zu schaffen, in der Wissen privatisiert und zur handelbaren Ware wurde. Damit wurde das Zeitalter der „Wissensgesellschaft“ eingeläutet.
Fortschritt und Investitionsschutz
In den Industrienationen werden die Immaterialgüterrechte vor allem mit den teils hohen Investitionen für die Schaffung neuen Wissens begründet. Es ist zwar richtig, dass die Entwicklung der Wissenschaften vor allem erst seit der Einführung von Immaterialgüterrechten grosse Fortschritte gemacht hat, was von den Profiteuren dieser Einrichtung gerne als Ursache gesehen und als Segen für die Menschheit propagiert wird. Nur werden dabei leider Ursache und Wirkung verwechselt und daraus Schlussfolgerungen abgeleitet, die jeglicher Wissenschaftlichkeit entbehren. Der Entwicklungsschub ist vielmehr auf die immensen Geldmittel zurückzuführen, die im letzten Jahrhundert vor allem aus Steuergeldern in Forschung und Entwicklung investiert wurden, sowie die technischen Möglichkeiten und Mittel, welche sich gegenseitig befruchtet und so quasi hochgeschaukelt haben. Trotz der grossen Zahl der Errungenschaften konnte der Fortschritt jedoch bei weitem nicht mit den Investitionssummen Schritt halten und hat sich nur unterproportional entwickelt – besonders wenn man davon ausgeht, dass mit dem exponentiellen Wachstum der Weltbevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten auch das Innovationspotential in einem vergleichbaren Ausmass gewachsen sein müsste.
Die Vertreter der Immaterialgüterindustrie behaupten, ohne einen Schutz vor Verwertung durch Dritte würde es den Unternehmen an Anreizen für Investitionen in Innovationen fehlen, was sich wiederum negativ auf die Innovationsrate und den technischen und kulturellen Fortschritt auswirken würde. Ein exklusives Verwertungsrecht stellt ein Monopol dar und Monopole sind Gift für die freie Marktwirtschaft und den Fortschritt, denn sie ersticken Innovationen im Keim. In einem freien Markt werden Verbesserungen und Innovationen primär durch den Wettbewerb angeheizt. Jeder Anbieter versucht, seinen Kunden das beste Produkt zu bieten, um diese durch Zufriedenheit längerfristig und nachhaltig an sich zu binden, und sich so einen angebotsseitigen Wettbewerbsvorteil zu schaffen.
Soziale Ungerechtigkeit durch künstliche Ressourcenverknappung
Bewohner der ärmeren Länder der Welt haben in der Regel nicht die finanziellen Mittel, ihre Rechte an ihren eigenen Immaterialgütern international und insbesondere in der hochtechnologisierten und vollbürokratisierten Welt der westlichen Industriestaaten zu sichern und durchzusetzen. Ein Ungleichgewicht der Kräfte ist die Folge. Zusätzlich wird für die ärmeren Entwicklungsländer der Zugang zu für ihre Entwicklung notwendigem Wissen und dessen Nutzung durch die für sie zu hohen Lizenzkosten unbezahlbar. Diese künstliche Ressourcenverknappung durch Immaterialgüterrechte stempelt sie zwangsläufig zu Unterprivilegierten im globalen Markt. Der Schluss daraus, dass Immaterialgüterrechte asozial sind, wäre daher gar nicht so abwegig, weil sie die ohnehin schon schwachen noch weiter benachteiligen. Die Immaterialgüterrechte haben seit ihrer Einführung fast unverändert überlebt und die aktuellen Reformbestrebungen gehen nur einseitig in Richtung Ausbau und Verlängerung der Schutzfristen. Eine Reform des Immaterialgüterrechts erachte ich persönlich als dringend nötig und schon lange überfällig, denn in der heutigen Form führen Patente und Urheberrechte zu einem falschen und übertriebenen Protektionismus und behindern die freie Entwicklung von Wissen sowie auch den freien Kulturaustausch.
Gerade Patente sind im Bereich der Gen- und Stammzellenforschung sowie besonders auch im Nahrungsmittelbereich sehr problematisch. So ist zum Beispiel in den letzten Jahrzehnten ein Oligopol für Saatgut und Pestizide entstanden, das es geschafft hat, die Nahrungsmittelproduktion weltweit bereits zu mehr als 70% von sich abhängig zu machen und so die Nahrungsmittel im Namen des technologischen Fortschritts künstlich zu verteuern. Dominant in diesem Markt tun sich Monsanto und Syngenta hervor. Aber auch im medizinischen Bereich sind Patente aus ethischer Sicht nicht unproblematisch, da sie es den Reichen vorbehalten, von Errungenschaften der Forschung zu profitieren. Wer nicht genügend Geld hat, wird von der medizinischen Versorgung ausgegrenzt und bleibt krank. Die fehlenden Medikamente und Impfstoffe in Afrika sind nur ein Beispiel dafür.
Die Frage der Patentierbarkeit
Im Zusammenhang mit Patenten ist der feine Unterschied in der Definition von Erfindung und Entdeckung von entscheidender Bedeutung. Entdeckungen sind das Resultat von Analysen und die blosse Entdeckung von Naturgesetzen sowie deren Anwendung begründen noch keinen hinreichenden Tatbestand für ein exklusives Recht an einem Verwertungsschutz und dürfen nicht einer kleinen Minderheit vorbehalten werden. Erfindungen hingegen sind das Resultat von Synthesen und bedürfen einer gewissen Schöpfungskraft, die bei der Analyse naturgemäss nicht gegeben ist. Deshalb ist auch eine der vier Voraussetzung für ein Patent neben der Neuheit die Erfindungs-/Schöpfungshöhe beziehungsweise erfinderische Tätigkeit, welche die besagte Schöpfungskraft als „schöpferischen Überschuss“ widerspiegelt und sich nicht zwangsläufig aus der „normalen“ technischen Entwicklung ergibt. In der Praxis problematisch ist dabei aber, dass es dafür keine exakte Definition oder Masseinheit gibt und die Beurteilung immer stark vom Stand der Technik beziehungsweise dem Wissensstand des Urteilenden abhängig ist, auch wenn es teilweise standardisierte Verfahren zu dessen Objektivierung gibt. Besonders in den USA sind viele Prüfer schlecht qualifiziert, was immer wieder zur Erteilung von kuriosen und fragwürdigen Patenten führt.
Klassische Beispiele von patentierbaren Synthese-Ergebnissen sind Algorithmen (nach US-Recht, aber nicht in Europa), Baupläne für technische Konstruktionen oder chemische Formeln für synthetische Stoffe wie Polymere oder rostfreie Stahllegierungen, die in der Natur nicht vorkommen. Inwieweit die Resultate der Genforschung als noch sehr junge Wissenschaft die Voraussetzung für die nötige Erfindungshöhe erfüllen, gibt immer wieder Anlass zur Diskussion. Der Grund dafür liegt darin, dass in der Anfangsphase jeder Wissenschaft die Grenzen zwischen Analyse und Synthese nicht klar erkennbar sind, weil bei der empirischen, experimentellen Forschung stark mit synthetischen Methoden gearbeitet wird. Bei genauer Betrachtung dürfte jedoch die Rechtmässigkeit einer Grosszahl der Patente an gerade dieser Erfindungshöhe scheitern.
In der Rechtspraxis wird der Unterschied zwischen Erfindung und Entdeckung oftmals vernachlässigt, weil viele Juristen mangels technischer Fachkenntnisse zu falschen Einschätzungen gelangen. Bei der Prüfung zur Patenterteilung werden zudem nur die beiden Kriterien „technische Regel“ und „gewerbliche Anwendbarkeit“ genügend geprüft, da eine substanzielle und inhaltlich hinreichende Prüfung der „Neuheit“ und „Erfindungshöhe“ meist sehr aufwendig und kostspielig und zudem ohne genügende technische Fachkenntnisse nicht zu bewerkstelligen wäre. Deshalb wird eine solche Prüfung auf einen allfälligen Rechtsstreit vertagt. Wer sich das Risiko eines Rechtsstreits nicht leisten kann, bleibt auf der Strecke und hat praktisch keine reelle Chance, zu seinem Recht zu kommen. Hier gilt das Recht des Finanzkräftigeren. Müssten bei der Patentanmeldung die Erfindungshöhe und die Neuheit wenigstens mit plausiblen Argumenten belegt werden, so sähe die Situation schon etwas anders aus und die Anzahl der neu erteilten Patente würde merklich sinken.
Die Voraussetzung der Neuheit kann bei Entdeckungen aus zwei ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten beurteilt werden: aufgrund des Wissensstandes einerseits und aufgrund der Naturgesetze als Sachverhalt andererseits. Da sich die Gesetzmässigkeiten der Natur naturgemäss nicht verändern, kann deren Entdeckung nicht wirklich als Neuigkeit gewertet werden. Eine Botschaft ist nur für den neu, der sie zum ersten Mal hört. Der Inhalt der Botschaft kann dabei gut und gerne Jahrmillionen alt sein. Logisch-konsequent wäre somit allenfalls nur die Nachahmung und Reproduktion der Natur mittels nicht natürlicher (d.h. in der Natur nicht vorkommender) Verfahren patentfähig, keinesfalls aber das Resultat als Kopie der Natur oder das Naturgesetz und der natürliche Prozess, welches diesem zu Grunde liegen. Die Rechtspraxis zeigt uns aber ein ganz anderes Bild, da sie sich auf der Beurteilung der Neuigkeit aufgrund des Wissensstandes abstützt, was unsinnigerweise auch zur Patentierung von verlorenem und wiederentdecktem Wissen führen kann.
Ebenso fragwürdig ist auch die Patentierbarkeit einer Kombination von Standard-Technologien, denn die Verknüpfung von zwei oder mehreren trivialen Sachen ist schliesslich auch nur trivial und stellt in der Regel keinen schützenswerten Schöpfungsakt dar. Prominentestes Beispiel ist die Verknüpfung eines herkömmlichen Gaspedals und Elektronik zu einem elektronischen Gaspedal, bei dem das US Supreme Court die Patentierbarkeit verneinte, da die Kombination bekannter Elemente lediglich ein vorhersagbares Ergebnis liefert und damit keine patentwürdige Innovation darstellt. Das gleiche Urteil dürfte auch der Klage der US-amerikanischen Kanzlei St. Clair Intellectual Property Consultants gegen die Kamera in Apples iPhone zu Teil werden, welche gemäss Klageschrift gegen vier Patente im Besitze der Kanzlei verstossen soll, welche die Nutzung einer Digitalkamera im Zusammenspiel mit einem Computer oder Mobiltelefon beschreiben.
Patente auf Software
Die Patentierbarkeit von Software ist vor allem eine US-amerikanische Erfindung. Doch auch in Europa wird auf Druck der USA hin vermehrt eine Erweiterung der Patenterteilung für Software diskutiert. In den Anfangsjahren der Software-Entwicklung, war Software lediglich eine Dreingabe zur verkauften Hardware und wurde meist kostenlos mitgeliefert. Diese Software konnte und durfte von jedermann kopiert und weiterentwickelt werden, denn der Quellcode wurde gleich mitgeliefert.
Wie im Dokumentarfilm „Triumph of the Nerds“ aus dem Jahr 1996 zu sehen ist, vertrat der Apple-Mitgründer Steve Jobs damals noch eine völlig andere Haltung als heute und manifestierte seine Einstellung zu Immaterialgüterrechten mit einem Zitat von Pablo Picasso: „Gute Künstler kopieren, grossartige Künstler klauen.“ Weiter gab Jobs zu: „Wir waren immer schamlos, wenn es darum ging, grossartige Ideen zu stehlen.“
Interview mit Steve Jobs (aus „Triumph of the Nerds“)
Dies gilt auch für die gesamte Softwareindustrie. Und genau damit sind Unternehmen wie Microsoft und Apple erst zu dem geworden, was sie heute sind. Sie kopieren gegenseitig Ideen, nennen dies Innovation und verklagen sich darauf gegenseitig wie Ex-Sun-Chef Jonathan Schwartz in seinem Blog-Beitrag mit dem Picasso-Zitat „Good Artists Copy, Great Artists Steal“ als Titel aus eigener Erfahrung erzählt.
Der Film „Patent Absurdity“ beleuchtet Softwarepatente im geschichtlichen Kontext der Rechtsprechung und zeigt, welcher Schaden durch sie den Softwareentwicklern und der Wirtschaft zugefügt wird:
Film „Patent Absurdity“
Wenn jemand eine Erfindung macht und diese patentieren lassen möchte, muss er sich zuerst informieren und vergewissern, dass noch kein anderer ein Patent für die gleiche Erfindung eingereicht hat. Dass mehrere Personen mit vergleichbaren Aufgaben und Lebensbedingungen nahezu zeitgleich die gleiche Erfindung machen, ist nicht ungewöhnlich. Schliesslich suchen sie alle Lösungen für das gleiche Problem. Doch nur der erste Einreicher der Patentschrift erhält die exklusiven Verwertungsrechte. Dies führt immer wieder zu völlig absurden Situationen und sogar für Patentanwälte ist es angesichts der Berge von Patentschriften mittlerweile eine Zumutung, Patente zu recherchieren.
Monopole und Monokulturen in der Landwirtschaft
Patente spielen in der Bio- und Gentechnologie speziell bei gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) eine wichtige Rolle. Dabei wird Saatgut im Labor designed und für den Verkauf industriell gezüchtet. Die Hersteller besitzen Patente auf die Gene der genmanipulierten Pflanzen und damit auch auf deren Saatgut. Ein Bauer, der dieses erwirbt, bekommt die Lizenz zur einmaligen Aussaat. Samen aus der Ernte für die nächste Aussaat zurückzubehaltenn, wird in den Lizenzbestimmungen verboten und von den Herstellern als Lizenzgeber sowohl mit legalen als auch mit dubiosen bis kriminellen Mitteln geahndet. Ebenso haben auch Wachstumsförderer, Düngemittel, Pestizide und Insektizide in den letzten Jahrzehnten die Landwirtschaft erobert. Pestizide (z.B. Roundup von Monsanto) und dagegen resistente, gentechnisch veränderte Lebensmittel (z.B. Roundup Ready Soja von Monsanto) kommen beide vom gleichen Hersteller, denn nur die Pestizidhersteller selber sind wirklich in der Lage, gegen ihre Pestizide resistentes Saatgut zu produzieren, da nur sie über das dafür nötige detaillierte Wissen verfügen. Saatgut und Pestizid werden oft parallel entwickelt. Durch den Aufkauf von Konkurrenten auf der ganzen Erde haben die Hersteller (allen voran die Firma Monsanto) eine globale Monopolstellung erworben. Diese nutzen sie bei ihren Preisen schamlos aus. Ihre Monopole sichern sie, indem sie ihre Kunden in die Abhängigkeit treiben. Das 475 Tonnen schwere Saatgutgeschenk von Monsanto an Haiti im Wert von 4 Millionen US-Dollar im Rahmen das USAID-Hilfsprogramms „WINNER“ ist nur eines der vielen Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit.
Patente haben die Landwirtschaft völlig verändert. Sie haben die Landwirte mit falschen Versprechungen von den Saatgut- und Pestizid-Herstellern abhängig gemacht und sich für deren teure Produkte verschulden lassen. Darunter leiden nicht nur die Bauern sondern leidet auch die Artenvielfalt der Natur, die bald nicht mehr so genannt werden kann, wenn es einerseits durch gezielte Monokultivierung und andererseits durch transgene Verunreinigungen (natürliche Kreuzung von natürlichen, einheimischen mit genmanipulierten Organismen) bald nur noch Nutzpflanzen mit manipulierten Genen gibt. Die natürliche Kreuzung kann schliesslich nicht verhindert werden. Genmanipulierte Organismen und Monokulturen sind anfällig auf verschiedene einheimische Krankheiten im Gegensatz zu den einheimischen Organismen, die sich über Jahrhunderte und Jahrtausende an Krankheiten und Schädlinge in ihrem unmittelbaren Ökosystem angepasst haben. Es wäre auch gar nicht möglich, ein einziges Saatgut gegen alle verschiedene, lokale Krankheiten resistent zu machen. Die Eier legende Wollmilchsau gibt es auch in der Pflanzenwelt nicht.
So tragen Patente dazu bei, dass das Gleichgewicht der Natur empfindlich gestört wird. Die Folgen sind heute noch gar nicht richtig abschätzbar. Sie werden aber verheerend sein und sind dies teilweise heute schon. Hunderte von Mais-, Kartoffel- und Apfelsorten sind bereits verschwunden und die weltweite Hungersnot hat mehr zu- als abgenommen. Mit effizienter Nahrungsmittelproduktion oder Sicherstellung der Lebensmittelversorgung hat das also nichts zu tun. Patente machen die Gewinnmaximierung einiger weniger, globaler Unternehmen auf Kosten vieler erst möglich. Werden sie auch für die Schäden an der Natur und an unserer Lebensgrundlage aufkommen, die sie verursachen? Hinzu kommen noch die gesundheitlichen Risiken für den Menschen, welche bisher nur höchstens oberflächlich untersucht wurden. Zu gross ist die Angst der Saatgut-Hersteller, ihre Investitionen abschreiben zu müssen, wenn publik würde, dass genmanipulierte und mit Giften (Pestiziden) behandelte Lebensmittel gesundheitsschädigend wären. Die Warnungen namhafter Wissenschaftler werden ignoriert und die Ergebnisse ihrer Studien systematisch unterdrückt.
Es ist nur ein kleiner Schritt, die Patentierung von Pflanzen auf Tiere und Menschen zu übertragen. Dies würde in letzter Konsequenz dazu führen, dass die natürliche Fortpflanzung nicht nur bei Pflanzen sondern auch bei Tieren und sogar bei Menschen verboten würde beziehungsweise von einem multinationalen Konzern ohne jegliche Ethik lizenziert werden müsste. Ich kenne niemanden, der in einer solchen Welt leben möchte.
Patente, Gesundheitsgefährdung und Korruption
In der Lebensmittel- und in der Pharmaindustrie sind mittlerweile praktisch alle Produkte durch Patente geschützt, weil sie mindestens teilweise synthetisch hergestellt werden. Speziell gilt dies für gentechnisch veränderte Lebensmittel und gentechnisch erzeugte Medikamente. Für die Zulassung zum Verkauf müssen sie eine Unbedenklichkeitsprüfung bestehen. Analog werden auch Chemikalien auf ihre Gesundheitsgefährdung geprüft und je nach dem in Giftklassen eingeteilt. Die Studien dafür sind teuer und dauern lange. Den Weg durch Manipulation und Bestechung abzukürzen und „kostengünstiger“ zu gestalten, ist äusserst verlockend.
US-amerikanische Zulassungsbehörde Federal Drugs Administration (FDA) setzt dabei einen globalen de facto Standard. Ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter stehen nicht selten unter einem ungeheuren Druck und sind regelmässig das Ziel von Lobbyisten und Bestechungsversuchen. Aber auch unabhängige Wissenschaftler an namhaften Universitäten werden schnell zu Opfern der Korruption, wenn sie sich zu kritisch oder gar warnend zu den Risiken von synthetisch (gentechnisch oder chemisch) hergestellten Produkten äussern. Wie Wissenschaftler so werden auch Journalisten gerne zur Täuschung der Öffentlichkeit instrumentalisiert. Irreführende Reportagen und gefälschte Studien gehören heute leider schon fast zur Tagesordnung. Das Insektizid DDT, PCB und Dioxine haben schon genug Schäden angerichtet, weil sie die Zulassung erhielten, ohne dass ihre Auswirkungen auf den Menschen untersucht und vor allem auch offen gelegt worden wären. GVOs folgen dieser Tradition.
Die Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten oder hergestellten Produkten ist nicht weltweit einheitlich geregelt. Viele Ländern kennen eine solche Pflicht gar nicht. Ohne eine Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Lebensmitteln und gentechnisch hergestellten Medikamenten und Nahrungsmitteln wird dem Konsumenten jedoch die Wahlmöglichkeit und Wahlfreiheit verwehrt. Es ist ihm nicht möglich, sich bewusst für oder gegen den Konsum von genmanipulierten Nahrungsmitteln zu entscheiden. Er wird irregeführt, bevormundet und in gewissen Fällen sogar vergiftet oder einfach nur als Versuchskaninchen missbraucht.
Patente gefährden indirekt die Unabhängigkeit der Wissenschaft. Mit Bestechungen und Einschüchterungen definieren Lobbyisten die Spielregeln und beeinflussen den Kampf um Forschungsgelder und gut bezahlte Jobs. Wären Gene und damit auch Lebensmittel gar nicht patentierbar, wäre die gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung wesentlich geringer und es gäbe praktisch kaum noch Korruption im Zusammenhang mit der Zulassung von Lebensmitteln. Es gäbe auch kaum Anreize mehr, wissenschaftliche Studien zu fälschen. Die Wissenschaft würde von einem Leistungs- und Prostitutionsdruck befreit und könnte sich wieder vermehrt ihrer Kernaufgabe widmen, nämlich neues Wissen zu schaffen.
Fazit
Das Patentrecht basiert nicht auf einem Naturrecht, sondern ist ein widernatürliches Konstrukt, das die Natur weitgehend ignoriert. Es führt zu ungerechtfertigten und unverhältnismässigen Benachteiligungen sowie zu entsprechenden Wettbewerbsverzerrungen. Patente führen (wenn auch nur indirekt) zur Gefährdung unserer Gesundheit, fördern die Korruption und beschäftigen eine Heerschar von Anwälten. Gäbe es keine Patente, das seinen Inhabern exklusive Verwertungsrechte von wissenschaftlichen Errungenschaften zusichert, wären viele Probleme gelöst, die erst durch das Patentrecht geschaffen wurden.
Im nächsten Beitrag werde ich das Urheberrecht kritisch hinterfragen, bevor ich im dritten Teil bestehende Lösungsansätze kommentiere und eine eigene Lösung skizziere. Wer keinen Beitrag verpassen möchte, kann den Newsletter abonnieren.
Hallo,
das klingt recht beängstigend. Ich frage mich auch immer wieder, was noch “echt” ist, was man essen sollte, was besser nicht. Welchen Studien man glauben kann und vor allem wer uns da steuert. Die Antworten sind eigentlich klar – nur ist es nahezu unmöglich “echt” zu leben.
Besorgte Grüße
Sarah