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Der Wirtschaft neue Kleider

Grössenwahn: immer höher - immer grösserDie FAZ bringt die aktuelle Wirtschaftslage im Artikel „Anleger glauben an Kaisers neue Kleider [1]“ auf den Punkt. Die Analogie zu Hans Christian Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider [2]“ trifft den Nagel auf den Kopf. Die Wirtschaft hätte sich angeblich erholt und sei wieder auf Wachstumskurs, heisst es überall in den Medien. Ist das wirklich so? Oder leiden gewisse Leute an Wahrnehmungsstörungen? Die Zahlen von Eurostat [3], dem statistischen Amt der Europäischen Union lassen jedenfalls den Schluss nicht zu, dass sich die Wirtschaft bereits wesentlich oder gar nachhaltig erholen würde. Der Wunsch nach wirtschaftlicher Stabilität treibt sonderbare Blüten. Kann man bei einem Schneeballsystem [4] überhaupt von Stabilität sprechen? Naturwissenschaftler und Mathematiker würden dies klar verneinen. Die meisten Ökonomen und Politiker hingegen scheinen eine etwas andere Wahrnehmung der Realität zu haben. Ist es Dummheit, Unwissen oder Ignoranz? Wollen sie aus Eitelkeit die Realität nicht sehen oder haben sie einfach Angst, die Wahrheit öffentlich auszusprechen?

Gestern hatte ich ein Gespräch mit einem Kollegen zur aktuellen Wirtschaftslage und wir kamen auch auf die exponentiell wachsende Staatsverschuldung, die Geldschöpfung und die Auswirkungen des Zinses im Geldsystem zu sprechen. Ich empfahl ihm, sich doch selber etwas schlau zu machen, worauf er mir erwiderte, er sei sich nicht sicher, ob er das alles wirklich wissen und verstehen wolle, denn es könnte sein Weltbild verändern. Dann könne er nicht mehr so unbelastet wie bisher durchs Leben gehen und würde womöglich überall nur noch Probleme sehen. Was würde ihm das neu erworbene Wissen nützen? Schliesslich könne er als Einzelner sowieso nichts am System ändern. Ähnliches bekam ich auch bei einem Mittagessen vor ein paar Wochen von einem anderen Kollegen zu hören.

Zugegeben, das Wissen um die Probleme und deren wahren Ursachen alleine verändert noch nichts. Es ist aber eine zwingende Voraussetzung dafür, dass sich etwas ändert. Erst wenn die kritische Masse an Personen erreicht ist, die eine Änderung wollen und eine klare Vorstellung haben, wie diese aussehen soll, kann sie auch Realität werden. Solange wir uns aber von Bilanzmanipulationstricks und realitätsfremden Nachrichten in den Medien blenden lassen, die die globale Wirtschaftslage schön reden und uns die Illusion von einer wieder gesunden Wirtschaft vermitteln, können die Betrüger weiterhin in Ruhe die virtuellen Gewänder des Kaisers nähen und der Kaiser wird weiterhin für seine Kleider bewundert, obwohl er in Wahrheit nackt ist. An unschuldigen Kinder, die die Wahrheit auszusprechen wagen und sagen: „Aber er hat ja gar nichts an!“, fehlt es nicht. Doch wo ist das Volk, das das Kind hört und ebenfalls ruft: „Aber er hat ja gar nichts an!“?