Von Medienvielfalt kann bei den Mainstream-Medien keine Rede sein. Das Geschäft mit den Nachrichten gehört einem kleinen Oligopol von Nachrichtenagenturen, Verlags- und Medienhäusern. Diese Unternehmen servieren uns heute einen gefilterten Einheitsbrei. Von seriöser Recherche und journalistischer Verantwortung fehlt oft jede Spur. Immer wieder wundere ich mich, dass gewisse Ereignisse nicht einmal eine kurze Erwähnung wert sind, obwohl sie von grösserer Tragweite für die Gesellschaft sind. Dahinter könnte man Manipulation und Zensur vermuten. Aber vielleicht ist es zu einem grossen Teil einfach nur Dummheit und Ignoranz.
Ganz anders sieht es im Internet aus. Hier hat sich der Bürgerjournalismus etabliert. Doch leider ist dessen Qualität noch viel heterogener als bei den gestandenen Profis. Neben Querulanten und talentfreien Schreiberlingen gibt es ebenso auch viele, deren Schreiberei für Gottes Lohn auf gründlichen Recherchen und fundierter Sachkenntnis beruht. Sie brechen die Dominanz der Altmedien und zwingen diese allmählich, sich auf ihr Publikum zurückzubesinnen und wieder vermehrt gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Dadurch erhält guter, seriöser Journalismus längerfristig wieder mehr Relevanz. Die Revolution hat schon längst begonnen.
Noch nicht angekommen zu sein scheint dieser Trend bei den Gratis-Zeitungen. Hier dominiert immer noch der werbefinanzierte Boulevard-Klatsch. Mit mit bunten Bildchen aufgepeppten Kurznachrichten wird um die Gunst eines anspruchslosen Publikums von mehrheitlich Pendlern gebuhlt, denen ein solches Blatt gerade genug Lesestoff bietet, um ihre Reise zu und von der Arbeit in den öffentlichen Verkehrsmitteln kurzweiliger zu gestalten. Die mit Abstand intellektuellste Seite ist jeweils die mit dem Sudoku und dem Kreuzworträtsel. Mit der Geschwindigkeit von Twitter können die Gratis-Zeitungen nicht konkurrieren. Doch zumindest einigermassen müssen auch sie mithalten, weshalb sie alle ihre Nachrichten auch über eine eigene Website mit RSS-Feed publizieren. Damit kanibalisieren sie zwar ihre eigene Print-Version ein Stück weit, aber solange der Leser neben den bereits online gesehenen Artikeln immer noch genügend unverarbeitetes Material findet, um seine Langeweile zu überbrücken, tut dies der Attraktivität kaum einen Abbruch. Doch am Himmel zieht Konkurrenz durch das mobile Internet auf.
Vor allem auch mit dem mobilen und somit praktisch allgegenwärtigen Internet erreichen Sofortnachrichten immer mehr Leute und die Leser suchen sich ihre Nachrichten im Web gefiltert nach ihren eigenen Interessen zusammen. Zu kostbar ist die Zeit unserer Aufmerksamkeit, die wir optimal investieren wollen. Diese Selbstbestimmtheit und neue Art der Informations-Aggregation passen nicht mehr zum Vollservice-Anbieter-Ansatz der etablierten Medienhäuser. Trotzdem halten diese an längst überholten Konzepten und Geschäftsmodellen fest und versuchen, die Gesetze so zu drehen und zu vergewaltigen, dass ihnen ein Anspruch auf eine geregelte Einnahmequelle entsteht. So verwundert es kaum, dass Otto Normalverbraucher Mühe hat, Kulturflatrate, Leistungsschutzrecht und Pauschalabgaben für Urheberrechte mit seinem natürlichen Rechtsempfinden in Einklang zu bringen.
Bereits unsere Grosseltern wussten: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern“. Da frage ich mich: Haben Nachrichten wirklich den Stellenwert, den sie heute in der Informationsgesellschaft zu haben scheinen? Eigentlich müssten wir korrekterweise Datenflutsgesellschaft heissen, denn wir sind Weltmeister in der Produktion von Daten, die weder relevant noch interessant und attraktiv sind. Die Altmedien als deren Hauptproduzenten sind zwar auch in den neuen Medien präsent, doch richtig zu nutzen verstehen sie sie nicht. Die Revolution findet grösstenteils ohne sie statt. Den neuen Medienformen im Internet gehört die Zukunft, welche es schaffen, aus der Datenflut die für uns wirklich wichtigen und wertvollen Informationen herauszufiltern und sie für uns ansprechend aufzubereiten. Es lebe die Medienrevolution!
Absolut einverstanden. Dem wäre nur noch hinzuzufügen, dass es solche Journalisten auch im Inland (wieder mehr) geben müsste.
http://www.sociobilly.net
Gemäss dem letzten Sorgenbarometer von gfs.bern im Auftrag der CS geniessen die Gratiszeitungen auch am wenigsten Vertrauen in die Bevölkerung. Dass sich bei diesen bezüglich journalistischer Qualität ändern würde, glaube ich hingegen nicht. Harte Fakten zu früher Morgenstunde ist ebenso wenig gefragt wie zu den Abendzeiten, wenn der Kopf noch mit dem Arbeitsalltag «gefüllt» ist.
Doch etwas verwundert mich: Wie kommen Sie zur Schlussfolgerung, es hätte sich bei den anderen Medien dank Druck aus dem «bösen» Internet etwas geändert? Zusätzliche redaktionelle Stellen, welche wieder einen fundierteren Journalismus erlauben, wurden meines Wissens in jüngster Zeit ja nicht geschaffen…