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Das Webzeitalter wurde in den Anfangsjahren massgeblich dadurch geprägt, dass praktisch alle Inhalte umsonst zu haben waren. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Bezahlinhalte konnten sich nur in der Nacktfleischbeschau-Industrie richtig etablieren. Aber auch dort bröckelt dieses Geschäftsmodell zunehmend durch die Konkurrenz der Amateur-Exhibitionisten. Konsumenten sind nicht bereit, für Inhalte im Web zu bezahlen.
Dies bestätigt auch die neuste Studie von Nielsen: 85 Prozent der Befragten würden es vorziehen, wenn bisher kostenlose Inhalte auch weiterhin kostenlos blieben und 79 Prozent würden Websites nicht mehr nutzen, die für ihre Inhalte zur Kasse bitten würden, sofern es kostenlose Alternativen gäbe. Und wenn sie schon dafür bezahlen würden, müsste das Angebot massgeblich besser sein als das, was heute eh schon kostenlos angeboten würde. 62 Prozent sind der Meinung, dass wenn sie für einen Inhalt bezahlt hätten, ihnen das Recht zustehen sollte, diesen beliebig zu kopieren und mit anderen zu teilen. 64 Prozent wollen zudem keine Werbung sehen, wenn sie für Inhalte bezahlen würden.
Anbieter wollen Geld sehen
Die Anbieterseite hat es schwer, ihre Arbeit für die ins Web gestellten Inhalte angemessen entlöhnt zu bekommen. Wer arbeitet, will dafür auch bezahlt werden. Doch blöderweise besteht im Web zwischen Anbieter und Konsument in der Regel kein Vertrag. Deshalb haben Anbieter kein Anrecht, für die produzierten Inhalte durch die Konsumenten bezahlt zu werden. Trotzdem wollen sie irgendwie zu ihrem Geld kommen und lassen sich dazu einiges einfallen. Wenn die Konsumenten nicht dazu gebracht werden können, freiwillig zu bezahlen, sollen diese nach Meinung gewisser Medien- und Verlagshäuser per Gesetz dazu verpflichtet werden. Die „Kulturflatrate“ und ein „Leistungsschutzrecht“ sollen Geld in die Kassen spülen. Manche Medienfürsten scheinen eine recht totalitäre Ansicht von der freien Marktwirtschaft zu haben.
Niemand zwingt ein Unternehmen, online kostenlos Inhalte bereitzustellen. Sie tun es alle freiwillig, obwohl sie damit nichts verdienen – zumindest direkt nicht, weil anscheinend kein Markt dafür besteht. Wenn gemäss der gängigen Lehre der freien Marktwirtschaft ein Markt bestünde, müsste sich aus Angebot und Nachfrage ein Preis ergeben. Doch dieser Preis scheint praktisch bei Null zu liegen. Und trotzdem tun sie es alle. Funktioniert die Onlinewelt nach anderen Gesetzen?
Persönliche Daten sind Gold wert
Im Gegenzug zum kostenlosen Konsum hat sich das Geschäft mit persönlichen Daten der Benutzer etabliert. Legal, illegal, scheissegal! So könnte man das Motto von vielen Daten sammelnden Anbietern vermuten. Allen voran sind es die grossen Plattformen wie Google, Facebook, MySpace, YouTube, Xing, Netlog und MSN bzw. Live, bei denen riesige Berge an Nutzungsdaten anfallen. Doch streng genommen sind sie gar keine Content-Anbieter sondern lediglich Intermediäre. Sie stellen selber keine Inhalte her, sondern „vermitteln“ nur Inhalte, die andere ins Netz stellen. Die wahren Content-Ersteller gehen dabei leer aus.
Unsere Nutzungsdaten bilden eine vorzügliche Datenbasis für Marktanalysen und personalisierte Werbung. Je detaillierter und persönlicher diese Daten sind, desto wertvoller sind sie. Um an sie zu gelangen, versuchen die Firmen uns mit kostenlosen Angeboten zu ködern, die durchaus ihre Attraktivität haben. Da sie kostenlos sind, ist ihr Nutzen in jedem Fall grösser als die Kosten. Doch kostenlos heisst nicht umsonst. Für unsere Gratiskultur bezahlen wir mit der Preisgabe unserer Privatsphäre. Ob dieser Preis gerechtfertigt und angemessen ist, muss jeder für sich selber entscheiden. Doch gerade diese Freiheit der Entscheidung und deren Umsetzung werden uns bewusst verschleiert, erschwert und oft sogar vorenthalten. Die meisten Plattformen kennen zwar Einstellungen zur Privatsphäre, doch die sind in der Regel nur schwer zu finden und so gut versteckt, dass nur eine Minderheit wirklich Gebrauch davon macht, sofern sie überhaupt die Einstellmöglichkeit und deren Konsequenzen versteht.
Bedenken gibt es zur Zeit besonders auch gegenüber Googles Street View. Bei Street View verwendet der Suchriese die Daten (in diesem Fall Fotos) von privaten Liegenschaften kommerziell, ohne deren Eigentümer dafür um Erlaubnis gefragt zu haben, sie zu entschädigen oder an den (indirekten) Erlösen teilhaben zu lassen. Google praktiziert seine eigene „Gratiskultur“, in diesem Fall zu Gunsten des Anbieter. Soll man kostenlose Dienste mit kostenlosen Daten der Privatsphäre bezahlen können? Kann und darf ein Anbieter dies von seinen Nutzern (und auch Nicht-Nutzern) einseitig verlangen und deren Einverständnis voraussetzen?
Rechtliche Aspekte
Die zentrale Frage ist: Wem gehören die Daten und wer darf sie in welcher Form für welche Zwecke nutzen? Informationen als Bestandteil der Privatsphäre sind ein Teil unserer Identität, womit die erste Frage schon zumindest im Grundsatz beantwortet wäre. Und auch der Rest ergibt sich daraus logisch, denn die Verfügungsgewalt obliegt grundsätzlich dem Eigentümer und nicht dem Besitzer. Der Eigentümer entscheidet, welche Nutzungsrechte er dem Besitzer (zum Beispiel im Rahmen eines Überlassungs-, Miet- oder Lizenzvertrags) zugestehen will. Hier scheinen Datenschutzrecht und Immaterialgüterrecht in der Praxis nicht ganz im Einklang zu stehen.
Das Recht läuft gerade in Bereichen des Internets der Technik weit hinterher. Bis aus einer Idee zu einem Gesetz wirklich ein Gesetz wird, können Jahrzehnte vergehen. Das ist für das Internet mit seinen vergleichsweise kurzen Entwicklungszyklen eine Ewigkeit. Wir brauchen Gesetze, die der Informationssammelwut gewisser Unternehmen (aber auch staatlicher Behörden) Einhalt gebieten und die Privatsphäre wirkungsvoll schützen, indem unter anderem Datenschutzverletzungen mit empfindlichen Strafen sanktioniert werden.
Fair Use
Wer mit persönlichen Daten Geld verdienen will, der sollte vorher eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen einholen müssen. Nicht bloss implizit sondern explizit und mit vollständiger und leicht verständlicher Information in der Sprache des Benutzers. Auch darf der Widerspruch gegen die Erhebung und Verwendung persönlicher Daten nicht bloss über eine Opt-out-Funktion angeboten werden, sondern die Default-Einstellungen müssen so gesetzt werden, dass von einem grösstmöglichen Schutz der Privatsphäre ausgegangen wird. Unternehmen und Plattformen, die diesen Grundsatz nicht beherzigen und in die Tat umsetzen, werden es in ein paar Jahren schwer haben, für die Nutzer immer noch attraktiv zu sein. Die Sensibilisierung für dieses Thema nimmt in der Öffentlichkeit laufend zu.