Das Narrenschiff

Wer sich heutzutage die Meldungen in den Medien etwas genauer anschaut und gegeneinander sowie mit der realen Welt vergleicht, gewinnt schnell einmal den Eindruck, dass da vieles faul ist. Richtig artikulieren könne es aber die Wenigsten. Ich wage einmal den Versuch und stelle persönlich Folgendes fest:

  1. Die Medien greifen die Meldungen der Nachrichtenagenturen auf und publizieren diese in der Regel unreflektiert. Ihre Eigenleistung besteht meist nur noch darin, diese mit einem hübschen Bildchen anzureichern. Die Nachrichtenagenturen sind die grossen Herrscher über die öffentliche veröffentlichte Meinung. Darf man fragen, woher diese ihre „Informationen“ beziehen und wer bestimmt, welche Nachrichten mit welchen Botschaften publiziert werden?
  2. Die Medien verkünden: „Die Krise ist überwunden“, denn die Börsenkurse steigen wieder und die Banken weisen wieder satte Gewinne aus. Doch die Realwirtschaft (im Gegensatz zur Irrealwirtschaft der Finanzwelt) sieht etwas anders aus. Die Euphorie der letzten Wachstumsphase ist der Ernüchterung und Erkenntnis gewichen, dass es nicht immer nur aufwärts gehen kann und dass jedes natürliche Wachstum endlich ist. Auch in einer endlichen Wirtschaft liesse es sich gut leben, sofern dies das System nicht verhindert. Nur bei ein paar Bankern ist die Realität noch nicht angekommen. Die feiern wieder ihre Bullenmarkt-Partys, als wäre nichts gewesen.
  3. Die Politiker haben die Lage nicht im Griff. Das Ruder entgleitet ihnen, meist ohne dass sie sich dessen wirklich bewusst wären. Zu viele lassen sich durch ideologische Blendung, persönliche Profilierungsneurosen und/oder Macht- und Gewinnsucht leiten beziehungsweise durch Lobbyisten unter Ausnützung dieser Schwächen verleiten und korrumpieren. Zu sehr haben sich die Regierungen mit den Wirtschaftsbossen arrangiert. Niemand wagt es aber, dabei öffentlich von Korruption zu sprechen, denn für vieles haben findige Juristen bereits eine Gesetzesgrundlage geschaffen. Und der Rest spielt sich oft im Graubereich fernab der Öffentlichkeit ab.
  4. Die Demokratie ist nur noch ein öffentliches Schauspiel und mittlerweile weitgehend zur Farce verkommen. Die demokratischen Bürgerrechte und der Rechtsstaat werden zum Teil sogar mit Notrecht vorübergehend ausser Kraft gesetzt. Demokratisch gefällte Beschlüsse werden nicht oder ganz anders als beschlossen umgesetzt. Exekutive und Legislative belügen das Stimmvolk und zum Teil nicht einmal in böser Absicht, sondern weil sie einfach keine Ahnung von der Materie haben, von der Komplexität überfordert sind und sich durch Experten von Lobbys mit wirtschaftlichen Partikulärinteressen schlecht beraten lassen. Der Rechtsstaat und die Demokratie sind schon praktisch tot und die Politiker sind inkompetent und oft sogar korrupt. Kein Wunder, sinkt die Stimm- und Wahlbeteiligung auf ein Niveau, das für den wahren Volkswillen nicht mehr repräsentativ sein kann, im gleichen Masse wie die Politikverdrossenheit wächst. Kein Land ist mehr davon ausgenommen. Was ist bloss aus unseren Idealen geworden? „Liberté, Egalité, Fraternité“ scheinen ihre Gültigkeit verloren zu haben.
  5. Seit dem Anschlag auf die beiden Türme des World Trade Centers in New York am 11.09.2001 ist nichts mehr, wie es einst war. Neue Gesetze zur verschärften Kontrolle und Überwachung sowohl der eigenen als auch der ausländischen Bevölkerung, die eine massive Beschneidung von bis anhin selbstverständlichen Grundrechten darstellen und vorher nicht einen Hauch einer Chance gehabt hätten, werden im Schnellverfahren durchgewunken und abgenickt. Wollt ihr wirklich die totale Überwachung und Kontrolle durch den Staat? Nur, wer ist eigentlich dieser Staat, der uns alle kontrollieren soll?
  6. Angst regiert in den Führungsetagen der Unternehmen und lähmt die Wirtschaft. Viele Manager sind nicht mehr fähig selber zu denken und zu entscheiden. Deshalb holen sie sich meist überbezahlte Berater, auf die sie die Verantwortung abzuschieben können glauben. Nur noch Inhaber von Familienunternehmen haben eine längerfristige Perspektive und ein Interesse an Nachhaltigkeit. Angestellte Manager hingegen sind meist nur an ihrer persönlichen, kurzfristigen Gewinnmaximierung interessiert. Entsprechend „führen“ sie „ihr“ Unternehmen. Sie sind die modernen Raubritter der Gesellschaft. Mit Seilschaften schaffen sie es, ihre Inkompetenz und Arroganz zu kaschieren. Wer in diesem Netzwerk nicht mitspielt, wird geächtet und ausgegrenzt.
  7. Eine sachliche Diskussion zu diesen Themen zu führen, fällt vielmals schwer, weil man leicht Gefahr läuft, als „Verschwörungstheoretiker“ abgestempelt zu werden, sobald man nicht die in den Medien publizierte Meinung vertritt und gewisse Muster einer Systematik erkannt zu haben verkündet. Aber auch diese Stigmatisierung als „Verschwörungstheoretiker“ hat System. Dafür sorgen die Profiteure des Systems. Sie sind die „Verschwörungspraktiker“. Dabei kann jeder die Muster von Intrigen und Kriegen in den Geschichtsbüchern studieren. Diese sind nichts Ausergewöhnliches sondern stellen im Gegenteil die Normalität dar. Sie sind heute nicht anders als früher, nur die technischen Mittel bieten heute in der Umsetzung neue und eine grössere Vielzahl an Möglichkeiten. Sind wir wirklich zu blöde und unfähig aus der Geschichte der Menschheit zu lernen?

Trotz all dem scheint kaum jemand daran interessiert zu sein, „das System“ zu ändern. Die Kritiker sind zumindest in der Öffentlichkeit in der Minderheit. Die kritische Masse für grundlegende Veränderungen ist noch nicht erreicht. Haben wir einfach nur zu viel Angst davor, die Lage zu ändern? Oder sind wir einfach nur zu bequem? Oder einfach zu dumm? Treffend beschreibt Reinhard Mey die Situation mit seinem Lied „Das Narrenschiff„:

Wer jetzt allerdings glaubt, ich sei ein unverbesserlicher Pessimist und Schwarzmaler, liegt voll daneben. Die Menschheit hat bisher erst kürzlich zwei Weltkriege, den 30-jährigen Krieg, die Pest, die Spanische Grippe (und auch die Schweinegrippe 😉 ) sowie schon viele Hungersnöte überlebt. Dann wird sie doch sehr wahrscheinlich auch die aktuelle Krise(n) überstehen. Aus dieser Erkenntnis schöpfe ich meinen Optimismus für die Zukunft. 🙂