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Der Weg aus der Finanzkrise und danach

Nachdem ich mich in „Die Finanzkrise aus ethischer und systemtheoretischer Sicht“ [1] bereits über die Ursachen der aktuellen, globalen Finanzkrise ausgelassen habe, wage ich mich an einen Lösungsdesign, wie ich es vom Software-Engineering her seit Jahren gewöhnt bin. Es soll nur ein Grobkonzept sein, denn für die detaillierte Ausarbeitung fehlt mir leider die notwendige freie Kapazität.

Die Informatik ist eine Ingenieurs-Disziplin, in der analytisch-konzeptionelles Denkvermögen mit fokussierter Lösungsorientierung gefragt sind. Sie hat viel gemeinsam mit Architektur, Maschinenbau und Medizin, auch wenn das für Aussenstehende auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist. Nur eine ganzheitliche, interdisziplinäre Betrachtungsweise der Problemstellung führt zu brauchbaren Lösungen. Beim Systemdesign sind folgende Aspekte von Belang: Kohäsion, Konnektivität, Kapselung, Modularisierung, Interoperabilität, Sicherheit, Performanz, Skalierbarkeit und Stabilität. In der Informatik ist dies zumindest gemäss Lehrbuch „State of the Art“. Von diesen Ingenieurs-Prinzipien des Systemdesigns könnte die Wirtschaft noch einiges lernen.

Das Krisenmanagement darf nicht damit aufhören, dass kurzfristig Liquidität in die Finanzmärkte auf Kosten der Steuerzahler gepumpt und der Markt sich zur Regenerierung selbst überlassen wird. Wir brauchen langfristige Lösungen und einen grundlegenden Systemwandel (begleitet von einem globalen Wertewandel). Dessen Ziele sollen sein:

  1. Herstellung eines globalen Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Volkswirtschaften in der globalen Weltwirtschaft
  2. Eliminierung von Interessenskonflikten und Eindämmung von Spekulationseffekten an den Finanzbörsen
  3. Entkoppelung der internationalen Währungen zur Verhinderung und Eindämmung von negativen Globalisierungseffekten
  4. Etablierung von kalkulierbaren Wechselkursen zur Verminderung von Währungsrisiken

Die wichtigsten Mittel zur Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen, um die genannten Ziele zu erreichen sind (wie bereits im vorherigen Beitrag teilweise skizziert):

  1. Regulierung der Finanzmärkte durch Einführung einer strikten Gewaltentrennung zwischen
    • Analysten bzw. Rating Agenturen und Anlageberatern, die Finanzprodukte empfehlen
    • Tradern, die im Dienste der Bank handeln
    • Portfoliomanagern, die Kundenvermögen verwalten und
    • den Handelsplattformen
  2. Änderung der Bewertungsregeln für Wertschriften in der Bilanz und Steuerrechnung (Bewertung maximal zum Einstandspreis)
  3. Abkehr vom System im Allgemeinen und vom Dollar im Speziellen als internationale Leitwährung und als praktisch alleiniges Zahlungsmittel im internationalen Geschäftsverkehr
  4. Schaffung einer internationalen, virtuellen Referenzwährung unter Aufsicht der UNO, die durch einen rechnerischen Mittelwert über alle oder zumindest der 30 stärksten Währungen gebildet wird, sowie weitgehende Koppelung der Landeswährungen an diese aufgrund fairer und einfach überprüfbarer Kriterien (die noch im Detail zu definieren sind)

Nur, wie bringt man solche Konzepte bloss in die Hirne von Politikern und Wirtschaftsführern? Wir brauchen mehr Ingenieure in der Politik! Juristen, Ökonomen und Bauern hat’s mehr als genug. Das Problem ist aber, dass Ingenieure anders – d.h. lösungsorientierter und effizienter – ticken und sich deshalb nur schwer mit der Politik anfreunden können. Und wo ein Ing. sich nicht wohlfühlt, geht er nicht hin. Es wäre jedoch nicht unklug, Ingenieure wenigstens als Berater beim Design von politischen und Wirtschafts-Systemen beizuziehen.

Weitere lesenswerte Artikel zu den Gründen der Finanzkrise:

Warum steigt der Dollar?

Update vom 23.10.2008

Nachdem ich auf Massnahmen gegen die Salär- und Bonus-Exzesse in den oberen Managementetagen angesprochen wurde, hier ein kleiner Nachtrag:

Saläre und Boni zu deckeln wäre reine Symptombekämpfung, auch wenn ich diesbezüglich den Unmut im Volk und den Ruf des Volkszorns nach Massnahmen durchaus verstehe. Ich erinnere mich an ein Gespräch vor einigen Jahren mit einem Bankdirektor, der mir sein Handeln zu Ungunsten seines Arbeitgebers etwa wie folgt erklärte: „Es ist richtig, dass wir hier Nullsummenspiele spielen. Aber so werden wir nun mal geführt. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als uns so zu verhalten, denn sonst könnten wir unsere persönlichen Jahreziele nicht erreichen und unsere Boni würden entsprechend gekürzt. Sorry, aber du musst das verstehen“.

Deshalb müssen nicht die Boni gedeckelt werden, sondern das ganze System muss einer grundlegenden Revision unterzogen werden. Wenn jemand seinem Arbeitgeber durch seinen persönlichen, ausserordentlichen Einsatz einen zusätzlichen Gewinn von 20 Millionen einbringt, soll er seine 5% Beteiligung daran als Provision erhalten, damit er auch künftig motiviert ist, diese Leistung zu erbringen. Dann haben wir alle etwas davon. Jedoch dürfen Boni nicht an betriebswirtschaftlich unsinnige Messgrössen für die Leistungshonorierung wie Umsatz oder verwaltete Vermögen gekoppelt werden. Wir müssen die Ursachen der Krankheit bekämpfen und nicht deren Symptome.

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Kommentare sind deaktiviert Empfänger "Der Weg aus der Finanzkrise und danach"

#1 Kommentar von Banken am Donnerstag, 23. Oktober 2008 00000010 10:30 122475061110Do, 23 Okt 2008 10:30:11 +0200

Ein kleiner Schritt in die Richtung wurde Seitens der IKB zum Beispiel schon gemacht. Díe Manager sollen Tantiemen für Fehlspekulationen zurückzahlen. Dort sollte auch in Zukunft einfach mehr durchgegriffen. Was passiert den Managern denn, wenn sie sich permanent vertun? Sie bekommen eine dicke Abfindung und treten zurück…

#2 Kommentar von Sociobilly am Donnerstag, 23. Oktober 2008 00000010 20:42 122478733008Do, 23 Okt 2008 20:42:10 +0200

Behlonung sollte es immer erst geben, wenn das Resultat sicht- und greifbar ist, bzw. das Geld schon in der Kasse klingelt. Die alte Redensart „Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben“ gilt besonders auch bei den Boni oder sollte es zumindest. Viele Banken sitzen da in der gleichen Dummheitsfalle wie ein Grossteil der (vermeintlichen) Lotto-Millionäre, die das Geld schon ausgeben, bevor es auf ihrem Konto ist … und dann hat man sich in den Zahlen geirrt.

#3 Kommentar von frank am Donnerstag, 23. Oktober 2008 00000010 21:51 122479149109Do, 23 Okt 2008 21:51:31 +0200

Respekt, würden sich verantwortliche Politiker und Führungskräfte solche Gedanken machen, dann würde Finanzkrise sicher bald gebändigt. lg

#4 Kommentar von Sandra am Mittwoch, 19. November 2008 00000011 08:05 122707831508Mi, 19 Nov 2008 08:05:15 +0100

Also ich glaube nicht, dass die Finanzkrise so schnell ausgestanden ist. Man hört ständig in den Medien, wie viele Arbeitsplätze jetzt gefährdet sind. Aber wenn man sich anschaut, so etwas hat es auch schon vor Jahren gegeben und die Wirtschaft hat sich wieder erholt. Da müssen wir alle mal durch. Man muss nur schauen, dass man eine gewisse Sicherheit für seine Familie hat und man muss einfach arbeiten wollen, dann findet man immer wieder welche. Dann kann man auch gut weiterleben.

#5 Kommentar von Sociobilly am Mittwoch, 19. November 2008 00000011 09:08 122708208309Mi, 19 Nov 2008 09:08:03 +0100

Eigentlich ist es nicht bloss eine „Finanzkrise“ sondern eine Geldsystemkrise, die durch die Spielregeln der Börse, der Bilanzierungsvorschriften und des Steuersystems sowie durch die menschliche Gier verstärkt und beschleunigt wurde. Das wird mindestens 3 Jahre gehen, bis wir über den Berg sind, falls es uns gelingt, den Crash zu verhindern. Wirtschaftszyklen bestehen nicht bloss aus Wachstumsphasen. „What goes up, must come down“. Aber jede Krise ist auch eine Chance für einen Neubeginn. Das wäre ein guter Zeitpunkt, um „das System“ grundlegend zu renovieren. Nur leider fehlt noch vielen die Einsicht der Notwendigkeit.