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Die nächste Stufe beim Datenschutz-GAU

Der Datenschutz ist mittlerweile de facto schon abgeschafft und viele Politiker und Sicherheitsfanatiker überlegen sich nur noch, wie man das Kind endgültig und doch sozialverträglich beerdigen kann. Auf der Suche nach neuen Geschäftmodellen für das Internet und bei meinen Datenschutz-Zukunftsszenarien bin ich nun auf noch brach liegende „Nutzenpotenziale“ gestossen, deren Erschliessung sicherlich nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.

Das Anlegen, Sammeln und Verknüpfen von Profildaten ist mehr als nur eine Modeerscheinung der Informationsgesellschaft. Wissen ist Macht und die Vernetzung von Wissen verleiht noch mehr Macht. Google hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Informationen der Welt zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Dazu werden möglichst alle Webinhalte inventarisiert und indexiert, jeder Nutzer wird erfasst und seine Interessen und sein Verhalten werden analysiert, um ihn in jeder Lebenslage mit relevanten Informationen und relevanter Werbung beliefern zu können. Dies resultiert logischerweise in einer Totalüberwachung aller Webnutzer – zumindest aller ihrer Onlineaktivitäten.

Googles Aktivitäten sind nachvollziehbar, auch wenn sie von den meisten Zeitgenossen – aus welchen Gründen auch immer – weitgehend ignoriert werden. Es existiert aber ein noch wesentlich älteres Gewerbe, das Profildaten sammelt und verknüpft. Sie nennen sich Kreditschützer, Bonitätsdatenbanken, Wirtschaftsauskunfteien, Adressdatenbanken und Risikobeurteiler und sie sammeln intime Daten zu unseren finanziellen Verhältnissen, unserer Zahlungsmoral, unserem Konsumverhalten, unserer Engagements in Unternehmen und Vereinen, unseren wirtschaftlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen und unserer Online-Reputation. Damit operieren sie zu einem grossen Teil in einem rechtlichen Graubereich. Aber auch bewusst in Kauf genommene Verletzungen des Persönlichkeits- und Datenschutzrechts [1] sind Bestandteil ihres Geschäftsmodells. Geschäftsrisiken zu kennen und sich vor Betrügern zu schützen, ist natürlich ein berechtigtes Anliegen. Nur leider ist für diese Datensammler die Legalität von untergeordneter Bedeutung. Nach ihrem Verständnis heiligt der Zweck die Mittel. Da ich einmal ein halbes Jahr lang für diese Branche tätig war, konnte ich einen umfassenden Einblick hinter die Kulissen gewinnen.

Was läge näher, als diese beiden Datenbestände zu verheiraten? Die Bonitäts- und Adressdaten würden wesentlich interessanter werden, wenn sie um die Interessen und Neigungen einzelner Personen angereichert würden. Und auch Google könnte seine Werbung in Kenntnis der finanziellen Verhältnisse seiner Nutzer noch zielgenauer platzieren. In einem weiteren Ausbauschritt könnte man dann auch noch Telekommunikationsdaten, DNA-Datenbanken [2], Transaktionsdaten im Zahlungverkehr und zentrale Polizei- und Antiterror-Datenbanken mit biometrischen Daten hinzunehmen. Heute mag der Laie noch naiv sagen: „Nein, sowas kann ich mir nicht vorstellen“. Aber vielleicht morgen schon könnten wir eines Besseren belehrt werden, wenn es zum Beispiel heisst: „Google kauft World-Check [3]„. An 23andMe [4] ist Google schliesslich auch schon beteiligt – und das nicht ganz zufällig.