Nicht nur das Web erfährt eine „Neuauflage“ mit aktualisierter Technologie. Auch der längst tot geglaubte eiserne Vorhang erlebt eine Renaissance. Nur hat sich dieser geographisch etwas verlagert und schützt nicht mehr den Osten vor dem bösen Westen sondern neuerdings den Westen vor dem bösen Osten und dem Rest der Welt. Dies wurde mir diesen Sommer auf meiner Reise in die Ferien so richtig bewusst.
Wer die Grenze zum Schengenraum passiert, wird genaustens geprüft. Seine Identität wird durch den Fahndungscomputer gejagt, das Nummernschild des Fahrzeugs wird per Videokamera erfasst und elektronisch registriert, um mit der grossen Datenbank von geklauten und gesuchten Fahrzeugen abgestimmt zu werden. Wer in die USA einreist, darf sogar seine Fingerabrücke in der Datenbank hinterlassen, nachdem bereits alle seine Flugreisedaten (inkl. seiner Konsumation auf dem Flug) im grossen Zentralcomputer erfasst wurden.
Da wurden Erinnerungen an meine erste Reise 1979 in den damaligen Ostblock wieder in mir wach und ich hatte wieder das gleiche beklemmende Gefühl in der Brust wie damals. Nur geht heute das ganze Prozedere des Grenzübertritts dank moderner Informationstechnologie viel schneller und die Herren mit den Maschinenpistolen halten sich heute mehr im Hintergrund, solange kein Anlass für ein in Erscheinung treten besteht. Schliesslich will man keine zahlenden Touristen erschrecken.
Früher waren es die „Ossis“, welche ihre Freiheit der kommunistischen Fürsorge durch den allmächtigen Staat opfern mussten, um vor der Dekadenz des kapitalistischen Westens beschützt zu werden. Heute sind wir „Westler“ die armen Schweine, die ihre Freiheit und Privatsphäre für eine fiktive Sicherheit vor einer vorwiegend virtuellen und hoch stilisierten Bedrohung opfern dürfen. Weil der goldene Käfig, in den wir uns sperren lassen, ein hübsches rosa Mäschchen hat, lassen wir uns gerne blenden und zum Narren halten. Meine Beobachtungen bestätigen leider die These „Das Kollektiv ist nicht lernfähig und der Pöbel ist dumm“. Aber dennoch bleibe ich ein Optimist und hoffe, dass sich genügend intelligente Individuen finden lassen, um das Schlimmste zu verhindern.
Die Wahrheit interessiert die meisten Menschen erst, wenn sie ihnen persönlich weh tut. Unangenehmes wird solange nur möglich ausgeblendet. Wie Klaus Zaugg in seinem Beitrag „Warum die Wahrheit nicht interessiert“ bei 20min heute bemerkt: „Die Wahrheit interessiert die Welt während der Olympischen Spiele nicht. […] Dabei halten sich zurzeit 25 000 Journalisten in Peking auf und könnten tagtäglich die Welt aufrütteln.“ Brot und Spiele will der Pöbel und nicht wach gerüttelt werden.
Ein Problem ist der schleichende Vorgang der Ueberwachung. Haette man kurz nach der Fichenaffaere all die Massnahmen eingefuehrt, die wir heute erleiden (Videoueberwachung, Flugpassagierdaten, biometrischer Pass etc.), waere der Aufschrei riesig gewesen. Ein zweites Problem: Die meisten Leute betrifft’s nicht direkt. Nur wenn es mehrere „Normalbuerger“ oder Politiker betrifft, kommt der Aufschrei (Kontrolle der FCB-Fans in Altstetten, Fichierung der Basler Politiker).
Schon länger überlege ich mir, wie man die Massen wach rütteln könnte. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis versuche ich immer wieder auf die Problematik aufmerksam zu machen. Leider fühlen sich die meisten (auch Akademiker) mit dem Thema überfordert und reagieren nur mit einem von Achselzucken begleiteten „Jaja“. Aber das wird mich nicht davon abhalten, am Ball zu bleiben.
Ich drueck uns allen die Daumen. Genau mit Vergleichen wie deinen kann man die Leute aus der Lethargie ruetteln resp. aus den Socken hauen. Sprich: Weiter so und mehr davon.