Überwachung überall

Kamera in S-Bahn Modell Siemens

Heute auf dem Weg zur Arbeit habe ich einmal die Überwachungskameras gezählt, denen ich vor allem in den öffentlichen Verkehrsmitteln ausgesetzt bin, ohne mich in irgendeiner vernünftigen Art und Weise dagegen wehren zu können. Meine Bilanz:

  • Bus: 3 Kameras
  • Zug: 2 Kameras
  • Bahnhöfe und Haltestellen:2 Kameras

Inspiriert zu meiner Zählaktion hat mich übrigens dieses Video:


Die beste Art des Datenschutzes ist die Datenvermeidung. Aber ich kann mich ja nicht einfach von meiner Umwelt abkapseln. Da könnte ich mir ja gleich die Kugel geben. Aber schliesslich sollte mich unser Datenschutzgesetz vor unerlaubter Überwachung schützen und mir meine Privatsphäre garantieren. Die Umsetzung beziehungsweise Durchsetzung meiner Rechte ist in der Praxis aber gar nicht so einfach.Stell Dir vor, Du wartest an der Haltestelle auf den nächsten Bus und kratzt Dich kurz unauffällig, weil Dein bestes Stück grad mal juckt. Dabei schaut Dir eine Kamera zu und morgen schon findest Du ein lustiges Video auf YouTube mit Dir als Hauptdarsteller an der Bushaltestelle. Beim nächsten Vorstellungsgespräch spricht Dich der Personalchef, der Dich tags zuvor gegoogelt hat, darauf an und bemerkt nebenbei, dass Dir das in Italien eine saftige Busse wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und einem Verstoss gegen Anstand und Sittlichkeit eingebracht hätte.

Solche Sollbruchstellen von Karrieren wird es künftig immer mehr geben. Alles bloss paranoide Fantasterei? Leider nein. Mit Google Maps Street View ist dies schon länger Realität. „Ein Paradies für Spanner und Gaffer“ und „Google entblösst Ahnungslose“ titelte dazu Spiegel Online letzten Sommer. Ich warte gespannt auf den ersten Fall, bei dem sich Hacker in die Datenströme der Überwachungskameras des öffentlichen Verkehrs einklinken und live aus dem Speisewagen auf der Fahrt von Zürich nach Bern berichten. Hoffentlich fällt Herr Huber nicht ausgerechnet dann sein Gebiss in die Kaffeetasse.

Update 11.03.2008:
Der Schweizer Nationalrat hat heute entgegen den Empfehlungen der Datenschützer die Aufbewahrungsdauer der Überwachungsvideos des öffentlichen Verkehrs von 100 Tagen beschlossen. Die Videos sollen allerdings nicht durch Verschlüsselung gegen Zugriff durch Unbefugte geschützt werden.

9 thoughts on “Überwachung überall

  1. Der Züricher Verkehrsverbund wird übrigens die S-Bahnen bis Ende 2009 vollständig mit Videoüberwachung ausrüsten. In der Hälfte der Trams und in einem Drittel der Busse sollen ebenfalls Kameras installiert werden. Willkommen im 21. Jahrhundert!

  2. Es ist nie zu spät, mit etwas Schlechtem aufzuhören. Aber es ist dumm, nicht aufzuhören, obwohl man erkannt hat, dass es schlecht ist. Nur, was schlecht für den einen ist, ist nicht selten gut für einen anderen. Und genau hier liegt das Problem.

  3. „Stell Dir vor, Du wartest an der Haltestelle auf den nächsten Bus und kratzt Dich kurz unauffällig, weil Dein bestes Stück grad mal juckt. Dabei schaut Dir eine Kamera zu und morgen schon findest Du ein lustiges Video auf YouTube mit Dir als Hauptdarsteller an der Bushaltestelle.“

    Völlig richtig, dieser Überwachungswahn muss einfach gestoppt werden. Leider ist es zu spät 🙁

  4. Das müsste man einmal in einem wissenschaftlichen Experiment nachstellen und das Video auf YouTube oder so publizieren. Das Video würde bestimmt zu einem Renner. Ich verzichte aber mal darauf, um keine Tierschützer zu erzürnen. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es aber sicher interessant …

  5. Klar, es liegt in der Natur von Fröschen zu hüpfen. Aber der Frosch springt nicht aus dem Wasser, weil es ihm zu heiss wird, solange das Wasser langsam genug erwärmt wird. Frösche sind ohnehin recht dumme Tiere. Schiebst Du ihm eine brennende Zigarette in den Mund (bitte nicht ausprobieren – wäre Tierquälerei), zieht er daran, bis er krepiert, anstatt das Ding auszuspucken. Kreuzt man einen Frosch mit einem Lemming, erhält man die Krönung der Schöpfung. ;-)=)

  6. Wie gesagt, ich bin ein erklärter Gegner der Videoüberwachung, und will keineswegs die Videoüberwachung verteidigen. Aber bei der Überwachung im ÖV können sich die Befürworter (leider) auf gute Zahlen abstützen. Bei öffentlichen Plätzen hingegen ist die Wirkung mehr oder weniger null.

    Ich gebe dir absolut recht, es ist ein Armutszeugnis. Aber für Politiker die 100%ige Sicherheit versprechen wollen, ist es einfacher, die Symptome zu bekämpfen (Videoüberwachung, Wegweisungsverbot etc.) als etwas gegen die Ursachen zu unternehmen. Und die Videoüberwachung bietet sich dafür bestens an, weil jedermann sehen kann, dass etwas getan wird (auch wenn es 1. nicht unbedingt effektiv ist und 2. die Privatsphäre aller beeinträchtigt).

    P.S. Das Bildnis mit dem Frosch ist zwar schön, stimmt aber nicht, der Frosch hüpft auch aus dem sich erwärmenden Wasser.

  7. Dass durch Überwachungskameras Vandalismus und Gewalt in den Zügen zumindest kurzfristig zurückgehen, ist normal. Ziel erreicht. Subjektiv sicherer fühle ich mich deswegen aber nicht. Stehe ich etwa unter Generalverdacht oder Vomundschaft, dass ich mich ständig und überall überwachen lassen muss? Wenn der Nachbar im Zug die Tageszeitung mitliest, fühlen sich die meisten gestört. Die Kamera darf aber während der ganzen Fahrt zuschauen. Vielleicht nur, weil sie sicher die Klappe hält. Der Frosch im Wasserbad wird langsam erwärmt. Alles ist Gewöhnungssache.

    Rein Objektiv betrachtet ist die „Notwendigkeit“ einer solchen Überwachung ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Wäre es nicht intelligenter, bei den Ursachen des Übels anzusetzen, anstatt Millionen in die Symptombekämpfung zu investieren? Überwachung für die Gesellschaft ist wie der Entzündungshemmer Cortison für den Körper: wirkt nur bedingt gegen Symptome, bläht den Körper auf und macht träge.

  8. Ich bin alles andere als ein Fan von Videoüberwachung, aber gerade die Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln ist nach englischen Studien eine der wenigen Einsatzarten von Videoüberwachung, die einigermassen gute Erfolgsraten hat (bzgl. Verhinderung/Aufklärung von Vandalismus, Übergriffe auf Passagiere, Fahrer). Aber gerade im Zug ist ein Kontrolleur nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv sicherer.

    Dein Szenario ist natürlich nicht auszuschliessen, aber soweit wie in England, wo es in einem Quartier einen CCTV-TV-Kanal für die Bewohner gibt, wird es bei uns wohl kaum kommen.

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