Month: Februar 2007

RFID-Chip kleiner als ein Staubkorn

Hitachi hat angeblich einen RFID-Chip entwickelt, der kleiner als ein Staubkorn sein soll. Mit Massen von 0,05 x 0,05 mm ist er von Auge nicht erkennbar. Es sollen allerdings noch 2-3 Jahre vergehen, bis dieser Marktreife erlangt.

Solchen Meldungen gegenüber habe ich gemischte Gefühle. Einerseits sehe ich die ungeahnten Möglichkeiten der Effizienzsteigerung in der Logistik, der sicheren Identifikation und Rückverfolgbarkeit von Gütern wie z.B. Medikamenten und Chemikalien sowie der Vereitlung und Entdeckung von Markenfälschungen. Andererseits bereiten mir gerade diese ungeahnten Möglichkeiten im Bereich des Daten- und Persönlichkeitsschutzes grosses Kopfzerbrechen. Tieren pflanzt man ja bereits heute RFID-Chips unter die Haut. Bei Menschen funktioniert dies ebenso. Für Straftäter gibt es bereits entsprechende Projekte.

Wenn solche Chips in Kleidern die Pflegeetiketten ersetzen und der Waschmaschine automatisch das ideale Wasch- und Pflegeprogramm übermitteln, ist das eine gute Sache. Wenn uns solche Chips ohne unser Wissen untergejubelt werden, steigt mein Puls. Das Gute an der Technologie ist aber, dass sich ein Chip mit energiereichen Impulsen ins elektronische Nirwana befördern lässt. Hier wird sich schon bald ein neuer Markt für Bespitzelungsabwehr und Persönlichkeitsschutz auftun.

In der Schweiz sollen uns „Softwarewanzen“ überwachen

Auch in der Schweiz gibt es Bestrebungen, die Bürger mit Trojanern zu bespitzeln. Der St. Galler Staatsanwalt und Leiter der Arbeitsgruppe „Organisierte Kriminalität“, Thomas Hansjakob, macht sich anscheinend für den Einsatz von sogenannten „Softwarewanzen“ stark. Auch die Vorratsspeicherung der Internetnutzungsdaten soll von sechs Monaten auf zehn Jahre verlängert werden.  Die Hersteller von Massenspeichern wird’s bestimmt freuen. Der eidgenössische Inlandsgeheimdienst (DAP) möchte die Wanzen sogar ohne jeglichen strafrechtlich relevanten Verdacht einsetzen, was wenigstens Herrn Hansjakob zu weit geht.

Wenn Strafverfolgungsbehörden nun jeden bereits grundsätzlich einer Straftat verdächtigen, nur weil er das Internet nutzt, haben wir den perfekten Überwachungsstaat. Ich befürchte, dass dank der Hetze in den Medien gegen jegliche Art von Rechtsverletzung im oder mit Hilfe des Internet entsprechende Gesetzesänderungen zunehmend gute Chancen haben. Achtung, nicht falsch verstehen: ich bin dafür, dass Verbrecher verfolgt, geschnappt und bestraft werden. Die verzerrte Darstellung der Realität in den Medien macht mir allerdings zu schaffen. Kinderschänder, die nicht das Internet für ihre Schandtaten nutzen, sind ebenso Furunkel unserer Gesellschaft, auch wenn sie nicht im Fokus der Berichterstattung stehen. Aber Teenager zu überwachen und zu Kriminellen zu stempeln, weil sie urheberrechtlich geschützte Musik und Videos über das Netz tauschen, die sie sonst gar nicht kaufen würden, weil sie kein Taschengeld dafür haben, widerstrebt meinem Sinn für Gerechtigkeit und Verhältnismässigkeit.

Wer überwacht eigentlich die Überwacher? Und wer deren Überwacher? Werden wir uns in Zukunft unsere Freizeit mit gegenseitiger Bespitzelung vertreiben? Werden auch alle akustischen Resultate unserer Verdauungsstörungen mit Hilfe von Softwarewanzen für die nächsten zehn Jahre auf Datenträgern gespeichert? Mir kommen langsam Zweifel an unserer globalisierten Informationsgesellschaft und ich fürchte um das einstige Ansehen von uns Informatik-Ingenieuren. Ist Informatik wirklich ein Segen für die Menschheit?

Bundesjustizministerin Zypries will keinen „Bundestrojaner“

Ausgerechnet die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries bläst nicht ins gleiche Horn wie ihr Kollege Schäuble. In einem Interview gegenüber Spiegel Online sagte sie: „Eine heimliche Durchsuchung ist etwas, was das Rechtssystem in Deutschland generell nicht kennt. Das deutsche Strafprozessrecht kennt nur offene Durchsuchungen, also im Beisein des Betroffenen oder eines Vertreters. Damit sind wir seit jeher sehr gut gefahren. Um dies zu ändern, müssen schon sehr triftige Gründe vorgelegt werden.“

Sie sieht keinen Grund für einen solchen Paradigmenwechsel in der Rechtspolitik und möchte sich diesen gerne erklären lassen. Da gibt’s nichts zu erklären, Frau Zypries! Es gilt, die Privatsphäre der Bürger zu schützen und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Ich bitte Sie, daran festzuhalten! Nach ihren Voten zu Urheberrecht und Vorratsdatenspeicherung hatte ich sie schon fast in einem falschen Licht gesehen. Solch eine klare Stellungnahme habe ich von ihr nicht erwartet. Ja, Politiker können auch positiv überraschen. Zum Glück gewinnt nicht immer die dunkle Seite der Macht.

Der „Bundestrojaner“ geht in die nächste Runde

Justizministerin Beate Merk und Innenminister Günther Beckstein sollen nun eine Rechtsgrundlage für die Online-Durchsuchung von Computern erarbeiten. Dazu Merk: „Die Bürger haben Anspruch auf Schutz auch in der virtuellen Welt“. Auch der bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber befürwortet die geplante Schnüffelaktion: „Polizei und Staatsanwaltschaft brauchen Zugriffsmöglichkeiten, um Cyber-Kriminalität erfolgreich aufklären und eindämmen zu können. Es ist ganz klar, dass die Strafverfolgungsbehörde mit dem technischen Fortschritt Schritt halten müssen“.

Mehr als die rechtsstaatliche Gesinnung dieser Politker erstaunt mich ihre Naivität. Glauben die wirklich, ein professioneller Cyber-Krimineller liesse sich einfach so einen „Bundestrojaner“ per E-Mail oder sonstwie unterjubeln, ohne sich dagegen wehren zu wissen? Bestenfalls fängt man damit nur ein paar kleine Fische. Den meisten Politikern scheint wirklich jegliches technische Verständnis für die Materie zu fehlen.

Ich bin gespannt, wie sich nun die Datenschützer zur wahrscheinlichen Verfassungsänderung äussern werden.

Neue Abmahnwelle in Deutschland für geschäftliche E-Mails?

Die Vorschriften für den Schriftverkehr von Gewerbetreibenden gelten nicht bloss für Post-Briefe sondern schliessen auch Faxe und E-Mails mit ein. Das Gesetz über „elektronische Handelsregister- und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister“ (EHUG) bestätigt und konkretisiert diese Vorschriften und setzt damit die EU-Publizitätsrichtlinie von 2003 in deutsches Recht um. Als Geschäftsbrief betrifft dies Offerten, Rechnungen, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Bestellungen und Quittungen.

Die ca. drei Millionen Unternehmen in Deutschland werden nun anscheinend reihenweise wach gerüttelt und fürchten sich vor einer Abmahnwelle wie dies bei der Einführung der Impressumspflicht für Websites 2002 der Fall war. Ein paar findige Rechtsanwälte nutzten damals die Situation zu profitablen Massenabmahnungen aus. Grundsätzlich kann nun jeder, der eine nicht gesetzeskonform gekennzeichnete geschäftliche E-Mail erhält, den Absender kostenpflichtig abmahnen. Ich glaube allerdings kaum, dass jemand seinen Geschäftspartner oder Lieferanten abmahnen wird, nur weil dieser eine unbedeutende formaljuristische Unterlassungsünde begangen hat. Schliesslich sind die meisten Menschen zum Glück an einem friedvollen und harmonischen Zusammenleben in unserer Gesellschaft interessiert. Wer würde schon ein Unternehmen abmahnen, nur weil er einer E-Mail den Vornamen des stellvertretenden Geschäftsführers nicht entnehmen kann?

Viele Firmen sind nun aber trotzdem in Panik und Arbeiten mit Hochdruck an Lösungen. Die idealste Lösung wäre eine zentral gesteuerte, einheitliche Signatur, welche automatisch an jede ausgehende E-Mail angehängt wird. Der grösste Teil der aktuellen E-Mail Software ist auf die Anforderung nicht vorbereitet. Abhilfe könnte ein nachgelagertes Programm schaffen, das alle ausgehenden E-Mails prüft und gegebenen Falls entweder die Angaben am Ende des E-Mails selber einfügt oder es an den Absender mit der Aufforderung zurückschickt, die fehlenden Ergänzungen selber vorzunehmen. Für manch einen IT-Dienstleister könnte dies zur Goldgrube werden. Ich warte gespannt auf die ersten entsprechenden Angebote auf dem Markt.

Interessant ist, dass Massen-Mailings von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen sind. Gerade hier wäre doch eine Kennzeichnung für den Konsumenten von Nutzen. Dann könnten zum Beispiel Spammer besser gefasst und härter bestraft werden. Wer falsche Angaben in der Signatur macht, verstösst damit gegen weitere Gesetze. Wer keine Angaben macht, darf abgemahnt werden. Aber leider hat der Gesetzgeber diese Lücke offen gelassen. Das neue Gesetz führt nun dazu, dass der E-Mail-Verkehr mit nutzlosen Signaturen vergrössert wird und damit die Datenautobahnen zusätzlich belastet. Das wiederum wird hingegen die Anbieter von Breitbandverbindungen freuen. Irgendeiner muss ja schliesslich der Gewinner sein.

Schäuble plant den Überwachungsstaat

Gleich nach Verkündung des BGH-Urteils kündigte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble an, sich für ein neues Gesetz einzusetzen, das eine rechtliche Grundlage für die Online-Durchsuchung von Computern schaffen soll. Original-Ton auf der Website des Bundesinnenministeriums:

„Aus ermittlungstaktischen Gründen ist es unerlässlich, dass die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit haben, eine Online-Durchsuchung nach entsprechender richterlicher Anordnung verdeckt durchführen können. Hierdurch können regelmäßig wichtige weitere Ermittlungsansätze gewonnen werden. Durch eine zeitnahe Anpassung der Strafprozessordnung muss eine Rechtsgrundlage für solche Ermittlungsmöglichkeiten geschaffen werden.“

Dass Kinderschändern und anderem üblen Gesindel im Internet das Handwerk gelegt werden muss, bestreitet keiner. Was mich allerdings sehr nachdenklich stimmt, ist die angestrebte Art und Weise, die jeglicher Rechtsstaatlichkeit entbehrt. Solche Rechtsvorstellungen wie die von Schäuble kenne ich sonst nur von totalitären Systemen her. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Herr Schäuble als guter Christdemokrat früher vor dem Fall der Mauer noch wehement gegen die Machenschaften des Polizeistaates in der DDR gewettert hat. Und ausgerechnet dieser Mann verlangt jetzt die Einführung des Überwachungsstaates mit Vorratsdatenspeicherung nach dem Vorbild der Stasi. So rasch und radikal können nur Politiker ihre Meinung ändern. Wo kommen wir hin, wenn jeder Politiker die Gesetze ändern will, wenn ihm etwas nicht in den Kram passt? Solivio Berlusconi darf nicht zum Benchmark werden. Schliesslich hat gerade Italiens Verfassungsgericht die „Lex Berlusconi“, das den früheren Ministerpräsidenten und vielseitig talentierten Politkomiker vor einem Korruptionsprozess rettete, für nichtig erklärt und wieder aufgehoben.

Bundesgerichtshof setzt der Online-Durchsuchung Schranken

Gemäss der deutschen Strafprozessordnung ist es unzulässig, eine heimliche Durchsuchung des Computers eines Beschuldigten mit Hilfe eines Programms durchzuführen, das ohne Wissen des Betroffenen installiert wurde. Gemäss dem Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 31. Januar 2007 (Az StB 18/06) fällt eine verdeckte Online-Durchsuchung nicht unter eine „Durchsuchung beim Verdächtigen“, weil sie zwingendes Recht (Anwesenheitsrecht und Zuziehung von Zeugen) verletzt. Für Ermittlungsmassnahmen ohne Wissen des Betroffenen (Wohnraumüberwachung oder Überwachung der Telekommunikation) gelten deutlich höhere formelle und materielle Anforderungen.

Damit erteilt der BGH dem „Bundestrojaner“ eine deutliche Abfuhr. Der Trojaner sollte dazu dienen, potentiell gefährliche Verbrecher auszuspionieren, ohne dass diese etwas davon bemerken. Über ein gefälschtes E-Mail sollte die Schnüffelsoftware an den Mann gebracht werden.

Big Brother darf also nicht einfach nach Lust und Laune aufgrund eines leisen Verdachts unbemerkt in die Computer deutscher Bürger eindringen. Auch in anderen Ländern gibt es Initiativen der Strafverfolgungsbehörden, einen Freipass für den ungehinderten Zugang zu den Computern von Verdächtigen zu erhalten. Wo kämen wir aber hin, wenn jeder ohne sein Wissen überwacht und ausspioniert werden könnte? In einem Rechtsstaat gilt grundsätzlich die Unschuldsvermutung. Nur in einem Polizeistaat sind unbeschränkte Überwachungen von Personen möglich. Es ist gut zu wissen, dass die alten Gesetze für die Welt der vernetzten Computer nicht neu definiert werden müssen sondern nach wie vor ihre Gültigkeit haben.

Öffentliche Datenbank zeigt das Abstimmungsverhalten der Nationalräte

ParlamentNun hat der Bund seit gestern eine öffentliche Datenbank, die das Abstimmungsverhalten der einzelnen Nationalratsmitglieder zeigt. Dies schafft endlich Transparenz und Nähe zum Volk. Bis zur Wintersession 2003 zurück kann man nachvollziehen, wie die gefällten Entscheide des Nationalrates zustande gekommen sind. Leider sind nicht alle sondern nur die „wichtigsten“ Geschäfte darin dokumentiert. Der Rest interessiert wahrscheinlich sowieso niemanden. Wenigstens bei den umstrittenen und viel diskutierten Geschäften können wir unseren direkt gewählten Volksvertretern auf die Finger schauen. Ob dies Konsequenzen für die kommenden Nationalratswahlen hat, ist noch nicht wirklich abzusehen. Ich jedenfalls werde diese Datenbank künftig vor den Wahlen bestimmt konsultieren, um nur Politiker zu wählen, die meinen Werten entsprechen und zu ihren Wahlversprechen stehen. Das ist gelebte Demokratie. Das liebe ich.

Früher wäre so etwas nicht möglich gewesen. Das Web und die Forderung der Öffentlichkeit nach mehr Transparenz in der Politik machen es möglich. Die Website ist vom Design her zwar nicht besonders sexy – eine Beamtenseite zur Politik eben. Aber sie ist funktional und kann für den ersten Release sicher als gelungen bezeichnet werden. Neben dem ganzen Datenmüll, der sich täglich neu im Web ansammelt ist so etwas schon fast eine Wohltat – vor allem auch, weil es nicht so sexy bunt blinkt. Kiddies werden sich wohl kaum auf diese Webseite verirren, ausser der Lehrer in der Schule verweist zum Beispiel im Politikunterricht für die Hausaufgaben darauf. Bei meinen eigenen Kindern werde ich das sicher schon bald sehen.

E-Governance muss nicht unbedingt kompliziert und aufwendig sein. Eine kleine Datenbank mit einer kleinen Webanwendung dazu und schon hat man der Demokratie einen grossen Dienst erwiesen. Ich jedenfalls werde in Zukunft weniger über die Bundesinformatik lästern.