Day: Dienstag, 6. Februar 2007

Neue Abmahnwelle in Deutschland für geschäftliche E-Mails?

Die Vorschriften für den Schriftverkehr von Gewerbetreibenden gelten nicht bloss für Post-Briefe sondern schliessen auch Faxe und E-Mails mit ein. Das Gesetz über „elektronische Handelsregister- und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister“ (EHUG) bestätigt und konkretisiert diese Vorschriften und setzt damit die EU-Publizitätsrichtlinie von 2003 in deutsches Recht um. Als Geschäftsbrief betrifft dies Offerten, Rechnungen, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Bestellungen und Quittungen.

Die ca. drei Millionen Unternehmen in Deutschland werden nun anscheinend reihenweise wach gerüttelt und fürchten sich vor einer Abmahnwelle wie dies bei der Einführung der Impressumspflicht für Websites 2002 der Fall war. Ein paar findige Rechtsanwälte nutzten damals die Situation zu profitablen Massenabmahnungen aus. Grundsätzlich kann nun jeder, der eine nicht gesetzeskonform gekennzeichnete geschäftliche E-Mail erhält, den Absender kostenpflichtig abmahnen. Ich glaube allerdings kaum, dass jemand seinen Geschäftspartner oder Lieferanten abmahnen wird, nur weil dieser eine unbedeutende formaljuristische Unterlassungsünde begangen hat. Schliesslich sind die meisten Menschen zum Glück an einem friedvollen und harmonischen Zusammenleben in unserer Gesellschaft interessiert. Wer würde schon ein Unternehmen abmahnen, nur weil er einer E-Mail den Vornamen des stellvertretenden Geschäftsführers nicht entnehmen kann?

Viele Firmen sind nun aber trotzdem in Panik und Arbeiten mit Hochdruck an Lösungen. Die idealste Lösung wäre eine zentral gesteuerte, einheitliche Signatur, welche automatisch an jede ausgehende E-Mail angehängt wird. Der grösste Teil der aktuellen E-Mail Software ist auf die Anforderung nicht vorbereitet. Abhilfe könnte ein nachgelagertes Programm schaffen, das alle ausgehenden E-Mails prüft und gegebenen Falls entweder die Angaben am Ende des E-Mails selber einfügt oder es an den Absender mit der Aufforderung zurückschickt, die fehlenden Ergänzungen selber vorzunehmen. Für manch einen IT-Dienstleister könnte dies zur Goldgrube werden. Ich warte gespannt auf die ersten entsprechenden Angebote auf dem Markt.

Interessant ist, dass Massen-Mailings von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen sind. Gerade hier wäre doch eine Kennzeichnung für den Konsumenten von Nutzen. Dann könnten zum Beispiel Spammer besser gefasst und härter bestraft werden. Wer falsche Angaben in der Signatur macht, verstösst damit gegen weitere Gesetze. Wer keine Angaben macht, darf abgemahnt werden. Aber leider hat der Gesetzgeber diese Lücke offen gelassen. Das neue Gesetz führt nun dazu, dass der E-Mail-Verkehr mit nutzlosen Signaturen vergrössert wird und damit die Datenautobahnen zusätzlich belastet. Das wiederum wird hingegen die Anbieter von Breitbandverbindungen freuen. Irgendeiner muss ja schliesslich der Gewinner sein.

Schäuble plant den Überwachungsstaat

Gleich nach Verkündung des BGH-Urteils kündigte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble an, sich für ein neues Gesetz einzusetzen, das eine rechtliche Grundlage für die Online-Durchsuchung von Computern schaffen soll. Original-Ton auf der Website des Bundesinnenministeriums:

„Aus ermittlungstaktischen Gründen ist es unerlässlich, dass die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit haben, eine Online-Durchsuchung nach entsprechender richterlicher Anordnung verdeckt durchführen können. Hierdurch können regelmäßig wichtige weitere Ermittlungsansätze gewonnen werden. Durch eine zeitnahe Anpassung der Strafprozessordnung muss eine Rechtsgrundlage für solche Ermittlungsmöglichkeiten geschaffen werden.“

Dass Kinderschändern und anderem üblen Gesindel im Internet das Handwerk gelegt werden muss, bestreitet keiner. Was mich allerdings sehr nachdenklich stimmt, ist die angestrebte Art und Weise, die jeglicher Rechtsstaatlichkeit entbehrt. Solche Rechtsvorstellungen wie die von Schäuble kenne ich sonst nur von totalitären Systemen her. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Herr Schäuble als guter Christdemokrat früher vor dem Fall der Mauer noch wehement gegen die Machenschaften des Polizeistaates in der DDR gewettert hat. Und ausgerechnet dieser Mann verlangt jetzt die Einführung des Überwachungsstaates mit Vorratsdatenspeicherung nach dem Vorbild der Stasi. So rasch und radikal können nur Politiker ihre Meinung ändern. Wo kommen wir hin, wenn jeder Politiker die Gesetze ändern will, wenn ihm etwas nicht in den Kram passt? Solivio Berlusconi darf nicht zum Benchmark werden. Schliesslich hat gerade Italiens Verfassungsgericht die „Lex Berlusconi“, das den früheren Ministerpräsidenten und vielseitig talentierten Politkomiker vor einem Korruptionsprozess rettete, für nichtig erklärt und wieder aufgehoben.